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Shapeless Dreams

[Atem center]
von

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Seine Herausforderung

Unschlüssig stand er inmitten der Oase und überlegte, was er als nächstes tun sollte. Plötzlich spürte er etwas Weiches zwischen seinen Beinen und schreckte auf. Als er hinabblickte, sah er den kleinen Fennek, der ihm gefolgt war und sich an ihn schmiegte. Mit großen Augen betrachtete der Fennek ihn und legte seine großen Ohren nach hinten. Der Junge konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Es war ein trauriges Lächeln, denn die Sorgen und die Ängste, die ihn plagten, waren groß und ergriffen seine Seele. Er hockte sich hin und streichelte das Wesen, das seine Aufmerksamkeit verlangte. Dann biss der Fennek sich an seinem Umhang fest und zog an diesen.
 

„Whoah, Kleiner! Was hast du vor? Komm, lass mich bitte los!“, kam es von dem Jungen. Doch der Fennek dachte nicht daran, das Stück Stoff in seinem Maul loszulassen und zerrte den Jungen in eine bestimmte Richtung. Als dieser stehen blieb und sich gegen den Fennek stemmte, knurrte dieser. Was auch immer der kleine Fennek vor hatte, es war offensichtlich, dass er ihm einen Weg zeigen wollte. Doch was könnte dies sein? Wieder zog der Fuchs an seinem Umhang und er beschloss, sich zu beugen und das zu tun, was das kleine Wesen verlangte. Es war ohnehin nicht so, als hätte er etwas Anderes zu tun gehabt. Frustriert musste er feststellen, dass der Fennek ihn aus der Oase lotsen wollte. Das gefiel ihm überhaupt nicht.
 

„Das ist nicht dein Ernst, oder? Hör mal, Kleiner. Ich bin kein Fennek. Die Hitze wird mich früher oder später umbringen. Menschen sind nicht dazu ausgelegt, durch die sengende Wüste zu laufen“, erklärte er, doch der Fennek legte nur fragend den Kopf schief. Für einen Moment setzte es sich auf den Boden und betrachtete den Jungen, wartete darauf, dass dieser näherkam. Mit einem laut hörbaren Seufzer kam er dem Fennek näher und versuchte erneut zu erklären, warum er ihm nicht folgen konnte. Doch der Fennek gab nicht auf. Immer wieder setzte er sich ab und wartete geduldig darauf, dass der Junge ihm folgte. Irgendwann gab dieser auf und gemeinsam strichen sie durch die Wüste. Der Sand in der Luft machte es ihm schwer zu atmen und den Weg vor sich zu erkennen, doch der Fennek schien genau zu wissen, wo er hinwollte.
 

Rasch legte er sich seinen Umhang um, um zumindest seinen Kopf vor den Sonnenstrahlen zu schützen. Er wusste nicht, wie lange er dem kleinen Fennek folgte. Zwischendurch blieb dieser stehen und wartete. Endlich eingeholt, wollte sich der Junge kurz hinsetzen, doch der Fennek biss ihn sanft und mahnend in die Wade. Sofort keuchte er auf und wollte mit dem Fennek schimpfen.
 

„Du willst nicht, dass ich mich hier ausruhe, weil du weißt, dass ich einen Hitzschlag kriegen könnte, nicht wahr?“
 

Den Fennek fiepste nur und wies ihm erneut den Weg. Plötzlich drehte der Fennek nach rechts ab und änderte die Richtung. Sein Schritt wurde schneller und der Junge hatte Probleme dem Tempo zu folgen. Erschöpft fiel er in den heißen Sand und ächzte. Der Fennek bemerkte sofort, dass sein Gefährte nicht mehr hinter ihm war und drehte um, setzte sich brav neben diesen ab und wartete darauf, dass sein menschlicher Freund sich erhob. Der Junge lachte gequält und erhob sich. Er war unsanft auf einem Stein gelandet und hatte sich das Knie aufgeschürft. Der Fennek kam näher und leckte die Wunde sauber.
 

„Du bist so nett. Ich würde dir gerne einen Namen geben. Wie wäre es mit Mahaad?“, fragte er und als er diesen Namen aussprach, wurde ihm schwarz vor Augen. Sein Umfeld verschwand. Er hörte eine Stimme aus der Ferne. Sie versuchte ihm etwas mitzuteilen und ihn zu warnen, doch er konnte sie nicht verstehen. Sein Herz sagte ihm, dass Mahaad eine wichtige Bedeutung hatte, doch sein Verstand konnte die Verbindung nicht knüpfen. Ein Hinweis zu seiner verlorenen Vergangenheit und ein Schlüssel zu seiner Bestimmung. Der Fennek schmiegte sich dankend an.
 

„Entschuldige, Mahaad. Mir war nur etwas schwindelig. Komm, lass uns weitergehen. Du bist mir treu ergeben und ich sehe in deinen Augen Vertrauen und dieses werde ich nicht enttäuschen.“
 

Sie liefen weiter durch die Wüste. Zum Erstaunen des Jungen führte der kleine Fennek ihn zu einer kleinen Wasserstelle, wo sie einen Zwischenstopp einlegten und die Nacht verbrachten. Den Fennek schmiegte sich an ihn und sie betrachteten die Sterne. Obwohl Mahaad seine Worte nicht verstehen konnte, redete er unentwegt mit ihm und dieser schien ihm aufmerksam zuzuhören. Immer wenn Angst und Zweifel ihn zu überkommen versuchten, leckte Mahaad über sein Gesicht oder schmiegte sich an, lenkte ihn ab von den finsteren Gedanken, die ihn quälten. Dafür war er dem kleinen Wesen unheimlich dankbar. In den frühen Morgenstunden, noch ehe die Sonne am Himmel stand, weckte der Fennek ihn und führte ihn zurück auf ihren ursprünglichen Weg. Der Himmel erhellte sich langsam und schon bald würde die Sonne aufgehen. Mahaad wusste instinktiv, dass es besser war, am frühen Morgen oder in der Nacht zu reisen.
 

Am Vormittag erreichten sie die Weiße Wüste. Der Junge schluckte.
 

„Du willst also, dass ich seine Herausforderung annehme“, flüsterte er. Der Fennek setzte sich in den Sand und lugte über seine Schulter zu ihm herüber. In der Ferne war eine Silhouette einer Person zu erkennen. Mit Sicherheit der Fremde, der auf seinen Gegner wartete. Der Junge bildete mit seinen Händen Fäuste und blickte wie erstarrt auf den Boden. Das hier war seine Möglichkeit endlich mehr zu erfahren! Er musste sich dem Fremden stellen und herausfinden, warum er hier war. Sein treuer Freund Mahaad hatte ihm den Weg gezeigt und dieses Vertrauen und diese Treue nicht enttäuschen.
 

„Ich danke dir, Mahaad. Du hast mir den Weg gezeigt. Ich werde nicht mehr weglaufen“, sagte er und bückte sich zu dem Fennek. Dieser lief sofort auf ihn zu und schmiegte sich an ihn. Er zog das kleine Wesen in eine Umarmung und bedankte sich noch mehrere Male, ehe sich erneut ihre Wege trennten. Dieses Mal endgültig. Er kam dem Fremden näher und blieb zwei Meter von diesem entfernt stehen. Dieser wandte sich langsam um. Noch immer trug er den Umhang und verhüllte sich.
 

„Wer seid Ihr? Was wollt Ihr von mir?“, forderte er laut und selbstbewusst.
 

Der Fremde sagte nichts. Stattdessen hob er seine Hände und bewegte diese in Richtung seines Gesichts, zog den Umhang nun herunter. Sein Atem stockte. Mit großen Augen starrte er den Fremden an. Der Fremde sah exakt genauso aus wie er! War er etwa sein verschollener Zwillingsbruder? Aber warum dann diese ominösen Worte?
 

„Du hast es bereits erkannt. Ich bin du. Ich bin die Seite deines Herzens, die du stets zu verleugnen versucht hast, mein lieber Atem.“
 

„Atem“, wiederholte er fragend.
 

„Dein, nein, unser Name.“
 

„Ich verstehe nicht, was Ihr meint. Das alles ergibt keinen Sinn!“
 

„Das hier ist die Prüfung deines Herzens. Ich bin all die Gefühle, die du seit Jahren unterdrückt und tief in deinem Herzen verschlossen hast. Hass. Wut. Angst. Abscheu. Ekel. Rachsucht. Ich bin das, was du nicht sein wolltest“, erklärte er mit einem breiten, schadenfrohen Grinsen.
 

„Und was genau soll diese Prüfung sein?“
 

„Zieh dein Schwert und kämpfe. Entweder du oder ich. Wir beide können nicht gemeinsam existieren“, erklärte er und zog sein Säbel aus seiner Scheide. Seine Augen blitzten auf und Mordlust lag in der Luft. Der Fremde, der sich als Teil seines Herzens vorgestellt hatte, wollte ihn töten. Atem verstand nicht, was all dies bedeutete. Er hatte keine Erinnerungen an seine Vergangenheit und somit konnte er nicht mit Sicherheit sagen, was es war, das er verleugnet haben sollte. Es war doch völlig normal, seine negativen Gefühle zu unterdrücken und seinen Ärger nicht an anderen auszulassen. Zumindest schien das in einer Gesellschaft angebracht. Er wusste zu wenig, um die Gesamtsituation zu verstehen und somit fiel ihm die Entscheidung unglaublich schwer.
 

[Kämpfen. | Kapitel 24] – [Nicht Kämpfen. | Kapitel 20]
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  SuperCraig
2019-09-16T11:57:01+00:00 16.09.2019 13:57
Naaah, der kleine Fennek Mahaad. Auch wenn es falsch sein mag, doch ich glaube fest daran, dass ein Stück des echten Mahaads in ihm wohnt. Der den Pharao begleitet und beschützt, zumindest bis an diesen Punkt.

Auch dass sich Atem an den kleinen Fuchs klammert, finde ich schön. Jetzt, wo er frei von der Bürde des Pharao ist, zeigt sich seine weiche, liebevolle, ängstliche Seite, die er auch auslebt. Er ist ein richtiger Mensch geworden, keine personifizierte Gottheit, die stark und mächtig sein muss. Endlich darf er Schwäche zeigen.

Er spricht auch ganz anders, finde ich. Junge, kein Pharao. "Whoa", alleine dieses Wort verhilft ihm zu einem eher altersgemäßen Verhalten. Das gefällt mir gut, denn es zeigt die Wandlung und die Komponente des Fehlens der Erinnerungen.

Nun, kämpft er, oder nicht? Ich bin zwiegespalten. Der Atem mit seinen Erinnerungen hätte sicher gekämpft, aber der hier? Es stellt sich noch eine Frage: Wenn dieser Fremde ein Teil von ihm ist, wie kann er ihn dann töten? Beide sind eins, und müssen als Ganzes existieren, auch wenn der Kerl was Anderes behauptet. Mal sehen, wofür sich der Pharao, nein der junge Atem entscheidet. Instinkt oder Angst?


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