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Die Story seines Lebens!

Bokuroo/Bokuto x Kuroo - Journalisten AU
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Hier nun also endlich Teil 2. Ich entschuldige mich noch einmal vielmals für die Verzögerungen. So war das wirklich nicht geplant... Und werden die Kapitel immer länger, oder kommt es mir nur so vor? T_T

Kuroos Familiensituation ist ein Gespinst meines Hirns. Ich liebe Haruko jetzt schon, auch wenn ich sie noch ganz ausgearbeitet habe... Komplett anzeigen

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Ein erster Schritt - Teil 2

Er hörte das Kinderlachen noch bevor er den Spielplatz überhaupt sehen konnte. Es war Samstag und das Wetter fantastisch. Im Park waren viele Leute unterwegs und damit auch viele Familien mit ihren Kindern auf dem Spielplatz. Die Bänke und Rasenflächen um den Bereich mit der Kletterkuppel aus Seilen, dem Sandkasten, der Rutsche, Schaukel und diversen Balance-Spielen waren genau wie die Geräte fest schon überfüllt.
 

Es war ein recht großer Spielplatz. Die meisten Eltern saßen auf den Bänken und Decken auf den Rasenflächen, einige hatten kleine Picknicks aufgebaut, ein paar Mütter und Väter standen an den Schaukeln oder dem Klettergerüst, um auf ihre Sprösslinge aufzupassen oder ihnen Schwung zu geben.
 

Kuroo blickte sich um. Kurz verfluchte er die beiden Becher in seinen Händen, die ihn davon abhielten seiner Schwester eine Nachricht zu senden, dass er endlich angekommen war und er ihren viel zu süßen Karamelltraum von einem Kaffee dabei hatte. Er beschloss einfach einmal näher an die Ansammlung von Menschen heran zu treten, als er hinter sich seinen Namen hörte.
 

„Tettsun! Hier!“ Kuroo drehte sich um und sah dort Haruko auf einer Bank umringt von Kinderwagen, Taschen und einigen Freundinnen sitzen. Als er zu ihnen kam sprang seine Schwester geradezu auf um ihn in den Arm zu nehmen, bevor er ihr ihren Becher in die Hand drücken konnte.
 

„Du bist ein Schatz, danke! Den habe ich bitter nötig. Hab die Nacht kaum geschlafen“, sagte sie und räumte eine Tasche von der Bank neben sich auf den Boden um ihm einen Platz zum sitzen frei zu machen. Er grüßte die anderen Mütter der Runde, die er zumindest vom Sehen her kannte. Sie waren es gewohnt, dass er bei Spielplatzbesuchen gerne mal zu seiner Schwester stieß, wenn er die Zeit dazu fand.
 

Einer der Gründe dafür kam auf ihn zugerannt sobald er sich auf seinem Platz nieder gelassen hatte. So musste er schnell seinen Kaffeebecher abstellen und sich wieder erheben. Kuroo kam dem kleinen „Tettsun! Tettsun!“ rufenden Jungen ein paar Schritte entgegen, bevor er ihn sich schnappte und mit Schwung hoch hob, dass er für einen Moment flog. Lang würde er das nicht mehr machen können, bald würde sein Neffe dafür wohl zu schwer sein, also wiederholte er es ein paar mal bis der Junge vor Lachen quietschte.
 

„Hallo, Großer. Lange nicht gesehen“, sagte er nachdem seine Arme der Bewegung zu müde wurden. Kuroo hielt ihn noch einen Moment auf dem Arm, wo sich der kleine nicht unbedingt wieder beruhigte und ließ ihn dann wieder auf den Boden.
 

„Er hat schon die ganze Zeit gefragt wo du bleibst“, sagte seine Schwester, während sein Neffe versuchte ihn irgendwie dazu zu bewegen mit ihm in Richtung Sandkasten zu kommen, wo ein anderer Junge nach ihm rief. Sie wirkte wirklich müde, strahlte aber trotzdem während sie ihren Bruder und ihren Sohn betrachtete. Sie hatten sich schon eine Weile nicht mehr gesehen, was im Grunde Kuroos Schuld war. Er ertränkte sich selbst in Arbeit und Kaffee.
 

„Lass mich noch ein bisschen mit deiner Mama reden, Makoto. Wenn du willst kann ich dich nachher auf der Schaukel an schubsen?“, fragte er den Jungen und ging vor ihm in die Hocke, als er zu schmollen begann. Einen Moment schien er zu überlegen, ob es wirklich ok war, dass sein Onkel nicht sofort mit ihm spielen kam. Schließlich nickte er, nachdem ihn dieser darauf aufmerksam machte, dass seine Freunde immer noch nach ihm riefen.
 

„Eigentlich willst du doch nur nicht in den Sandkasten“, lachte Haruko, nachdem ihr Sohn wieder davon gehüpft war und ihr Bruder sich neben sie setzte.

„Das auch“, antwortete er lachend und nahm einen Schluck von seinem mittlerweile stark abgekühlten Kaffee. „Aber ich will auch wissen, wie es meiner Lieblingsschwester geht.“
 

Die Frau neben ihm gab einen gepsielten Würgelaut von sich bevor sie zu lachen begann. Es war das gleiche unschöne Gackern das er von sich gab. Sie konnten nicht nur anhand ihres Aussehens kaum leugnen verwandt zu sein. Seine Schwester war zwar um einiges älter als er, doch das war auch einer der einzigen Gründe die Leute davon abhalten konnte sie für Zwillinge zu halten. Und die Tatsache, dass sie deutlich kleiner war als er.
 

„Das ist ja ekelhaft. Was willst du von mir? Warum bist du so Handzahm?“, fragte sie während ihr Blick weiterhin nach vorn gerichtet war um die Kinder im Auge zu behalten, die im Sandkasten Löcher mit ihren kleinen Plastikschaufeln gruben.
 

„Ich will wirklich wissen wie es dir geht, wenn du mir das schon nie selbst sagst. Du wirkst müde“, kommentierte er. Sie war immer besorgt um ihn und wie es ihm ging, kommunizierte aber kaum wie sie sich fühlte. Wenn sie nicht ewig bei ihm nachbohren würde bis sie eine Antwort bekam, würde er es ja genauso machen. Haruko seufzte, lächelte ihn dann aber wieder an.
 

„Es ist nichts schlimmes. Makoto wacht nur neuerdings Nachts ständig auf und kommt uns dann wecken. Damit Aki nicht ständig geweckt wird bin ich auf die Couch umgezogen. Die Phase geht auch wieder vorbei“, sagte sie mit einem Lachen. Einen Moment betrachtete er seine Schwester und schloss dann, dass sie ihn deswegen wohl nicht anlog. Er bildete sich einiges darauf ein, sie ganz gut lesen zu können und ihr ging es mit ihm ja genauso. Nachdem sich ihre Eltern geschieden hatten, ihr Vater sie danach beide versorgen und damit immer sehr lang arbeiten musste, waren sie als Geschwister immer enger zusammengewachsen.
 

„Wie geht es Yoshida? Muss er heute arbeiten?“, fragte er dann und erhielt ein Nicken.

„Ja, muss er, aber nur einen halben Tag. Wir treffen ihn nachher in der Stadt zum Mittagessen und gehen dann gemeinsam heim. Willst du mit kommen?“

„Nein, nein, schon gut. Ich will eure Familienzeit nicht stören. Er hat ja scheinbar auch nicht so viel von euch“, sagte er dann mit einem Lachen. Seine Schwester betrachtete ihn einen Moment und gab dann einen zustimmenden Laut von sich.
 

Aki Yoshida war Harukos Freund. Er war zwar nicht Makotos leiblicher Vater, aber er behandelte den Jungen, als wäre er es. Der Exmann seiner Schwester hatte sich bald nach der Geburt des Kindes von ihr scheiden lassen. Er hatte sich damals schon nie für das Kind interessiert und tat es auch heute nicht. Es war eine schwere und unschöne Zeit für die ganze Familie Kuroo gewesen.
 

„Und wie geht es dir? Du wirkst auch sehr müde. Ist etwas passiert?“, fragte Haruko bereits mit einem Unterton der Kuroo erahnen ließ, dass seine Schwester meinte etwas im Argen liegendes zu wittern. Und wenn er ehrlich war würde er es sowieso nicht lang vor ihr verstecken können. Sie erzählten sich alles und wenn einer von ihnen schweigsam wurde war es für den jeweils anderen das deutlichste Zeichen, dass es für ihn gerade etwas schwierig war.
 

So betrachtete Kuroo den Kaffeebecher in seinen Händen für eine ganze Weile in der ihn seine Schwester schweigend betrachtete. Er haderte nicht wirklich damit ihr zu erzählen, was ihm durch den Kopf ging, er wusste nur nicht wie er anfangen sollte. Der Park war vielleicht auch nicht der angenehmste Ort um ihr seine Klagen zu berichten, aber alle um sie herum waren zu sehr mit sich selbst und ihren Kindern beschäftigt, als dass sie auf sie achten würden.
 

Haruko streckte die Hand nach ihm aus und stieß ihn leicht an. Sie wollte gerade dazu ansetzten, dass er es ihr nicht jetzt sagen musste, doch er fiel ihr einfach ins Wort. Er berichtete von seiner miesen Woche auf der Arbeit und was ihn daran so aufwühlte, seinen dadurch schlechten Schlaf und... ach ja! Die Sache mit Bokutos Besuch und dass er sich nicht sicher war, was er tun sollte.
 

„Du wirkst, als würde dich dieses Angebot stören. Warum?“ Seine Schwester betrachtete ihn forschend. Sie merkte, dass es in erster Linie dieser Bokuto war, der ihren Bruder so anspannte und ignorierte sein immer wiederkehrendes Gejammer über seinen Stress und Daisho.

„Also... Es stört mich nicht. Ich finde es nur...“, begann er, doch diesmal war es Haruko die ihn unterbrach.

„Upassend?“, fragte sie mit einem wissenden Lächeln. Dass sie damit zumindest in die richtige Richtung ging konnte sie sicher seinem Blick entnehmen und lachte kurz auf.
 

„Unangenehm“, sagte Kuroo nach einem Moment und seine Schwester sagte ihm mit einem Nicken, dass sie verstand was er meinte. Sie kannte ihn, sie wusste wie er in solchen Situationen empfand. Allein wie er sich in der Oberschule angestellt hatte als die Mädchen langsam begonnen hatten ihn für sich zu entdecken. Wie er sich angestellt hatte, als er ihr erzählte, dass er einen Jungen geküsst hatte. Wie rot er wurde, wenn jemand mit dem er nicht schon seit Jahren befreundet war um ein Date bat oder gar die „Dreistigkeit“ besaß mit ihm auch nur aus Spaß zu flirten. Was Kuroo ihr sagen wollte war, dass Bokuto ihn mit seiner Direktheit überrumpelt und verunsichert hatte. Ihr Bruder war bei weitem nicht so selbstsicher, wie er immer tat.
 

„Du lässt dich viel zu leicht verunsichern, Tettsun. Es könnte doch Spaß machen, wenn du erst einmal warm mit ihm wirst“, sagte Haruko mit sanfter Stimmte und griff plötzlich nach seiner Hand. „Du solltest annehmen. Es muss ja kein Flirt draus werden. Vielleicht findest du ja einfach einen neuen Freund.“
 

Kuroo betrachtete zunächst ihre Hand für einen langen Moment, bevor er zu ihr aufsah. Ihr Lächeln war noch immer verständnisvoll und sanft. Sie sah aus wie ihre Mutter, nur dass Harukos Lächeln ein ehrliches war. Dennoch konnte er nicht anders als das Gesicht zu verziehen. Er drückte leicht ihre Finger, bevor er seine Hand zurückzog.
 

„Ich denk darüber nach“, sagte er und fühlte sich an den Vorabend mit Oikawa erinnert. Er hätte die beiden wirklich nie einander vorstellen sollen.
 

„Oh, da wird nach deiner Person verlangt“, meinte seine Schwester plötzlich und Kuroo blickte auf. Makoto war auf dem Weg zu ihnen hingefallen und hatte sich mindestens das Knie aufgeschürft. Er rappelte sich gerade langsam auf und sie konnten bereits die Tränen erahnen.
 

„Er ist dein Sohn“, sagte er vorwurfsvoll, war aber schon dabei aufzustehen. Seine Schwester nahm ihm den Kaffeebecher ab und lächelte ihn entschuldigend an.

„Du tröstest viel besser.“
 

* * *
 

Seine Lunge brannte, er quälte sich selbst. Während ihm andere gemütlich joggend entgegen kamen rannte er so schnell er mit seinen langen, ausholenden Schritten konnte den Weg des Parks entlang. Innerhalb von fünf Minuten hatte er in komplett durchquert, hielt aber nicht an sondern rannte nun weiter über den Gehweg, der ihn nach Hause führte.
 

Laufen machte ihm den Kopf frei. Allerdings konnte er Oikawa und Terushima bereits in seinem Kopf sagen hören, dass das hier kein Laufen mehr sei sondern eine Hetzjagd. Genau so fühlte es sich auch an und es war genau das, was er jetzt brauchte.
 

Kuroo hatte seine Runde langsam und gemächlich begonnen und war immer schneller geworden. Nichts außergewöhnliches. Doch dass er rannte, bis es sich anfühlte als würde der Sauerstoff aus seinen Lungen kaum noch bei seinen Muskeln ankommen war selten. Er atmete schon schwer seit er den Park erreicht hatte. Nun kam langsam sein Apartmentgebäude in sein Blickfeld und das Einzige, was seinem Kopf einfiel war „Sprint“. Es war vermutlich eine dumme Idee, da er sich jetzt schon fühlte als würde er entweder erstickten oder über seine eigenen Beine fallen wenn er noch an Geschwindigkeit zulegte, doch er biss die Zähne zusammen.
 

Er spürte wie der Laufwind an seiner Jacke zog, er hörte nur seinen Atem und seine eigenen Schritte auf dem gepflasterten Gehweg, spürte seinen Puls in seinem Hals pochen. Langsam fühlten sich seine Beine schwer an und dann auch wieder so leicht, dass er kaum wahrnahm wie er den Boden berührte.
 

Ursprünglich hatte er nachdenken wollen, doch als seine Gedanken sich immer wieder um die gleichen Themen kreisten, ihm aber keine Lösungsvorschläge einbrachten hatte er begonnen zu rennen und mit dem Wind und der Anstrengung seinen Kopf leer zu fegen. Er musste sich zu sehr auf seine Bewegungen konzentrieren. Nicht stolpern, nicht fallen, Atmen.
 

Mit einem Japsen erreichte er das Tor zu dem kleinen Hof vorm Eingang seines Gebäudes, das von den Straßenlaternen erhellt wurde. Sofort drosselte er seine Geschwindigkeit und lief ein paar Meter weiter aus, bis er schwer atmend zu stehen kam. Es war nicht kalt, aber der Laufwind hatte ausgereicht ihn herunter zu kühlen, sodass er nun innerhalb weniger Augenblicke merkte wie heiß ihm war und wie sehr er eigentlich schwitzte.
 

Sein Blick ging zu seiner Armbanduhr. So lang war er gar nicht unterwegs gewesen und seine Strecke war auch nicht sehr lang. Seine Ausdauer hatte seit der Oberschule stark nachgelassen, aber was erwartete er auch wenn er nun nicht mehr jeden Tag für mehrere Stunden Sport trieb.
 

Kuroo ging zurück zum Tor und betrat den Hof, wo er sich an einer Wand des Zaunes abstützte und zu dehnen begann. Seine Beine fühlten sich an wie Pudding, sein Mund war trocken und ihm war unerträglich warm. Und doch war das Einzige was er gerade wollte eine Flasche Wasser und ein heißes Bad. Noch war sein Kopf herrlich leer, aber spätestens in der Wanne würde er genug Ruhe gefunden haben um nachzudenken.
 

Nachdem er sich genug halbherzig gedehnt hatte machte er sich mit einigermaßen festen Schritten auf den Weg zurück in seine Wohnung im vierten Stock. Zum Glück funktionierte der Aufzug, denn die Treppe hätte so ausgepowert ewig gedauert. In seiner Wohnung angekommen schnappte er sich eine Wasserflasche und begann dann sich aus seiner verschwitzten Kleidung zu schälen. Er verfrachtete sie gleich in den Korb zur restlichen Dreckwäsche und wanderte eine Weile durch die dunklte Wohnung während er sein Wasser trank und darauf wartete, dass er zu schwitzen aufhörte. Sobald die Luft unangenehm kalt wurde und seine nackte Haut zu kleben begann hörte er auf Löcher in seine Wände zu starren. Er sammelte sein Handy ein und begab sich in sein Badezimmer, aus dem er wohl die nächste Stunde nicht mehr herauskommen würde.
 

Es war ein schlechter Tag gewesen. Anstrengend auf einer mentalen, arbeitstechnischen und menschlichen Ebene. Viel hätte nicht mehr gefehlt und er wäre ausfallend geworden. Mehr als ein freundschaftlich neckendes „Du Arsch“, denn Daisho war nicht sein Freund. Einer der Redaktionsassistenten hätte auch um ein Haar etwas abbekommen, als er ihn in seiner Mittagspause von der begrünten Dachterrasse holte, für quasi nichts.
 

Während er auf dem kleinen Hocker im Duschbereich seines Nassbades saß und sich die Haare wusch überkam ihn wieder diese unterschwellige Wut, die er fast den ganzen Tag mit sich herumgeschleppt hatte. Wo sie her kam konnte er nur ahnen, aber er musste sich wirklich beruhigen. Was brachte es ihm denn, wenn er tagtäglich einen Groll gegen die ganze Welt und die Menschen um sich herum hegte. Der Einzige, der etwas für seine miese Laune konnte war doch in Wirklichkeit er selbst. Mit etwas Nachhilfe von anderen.
 

Vielleicht brauchte er wirklich einmal einen Tapetenwechsel? Einen Urlaub? Sollte er mal etwas machen, das er sich noch nie getraut hatte? Fallschirmspringen? Bungeesjumping? Auch wenn er gerade in das heiße Wasser seiner Badewanne stieg fröstelte es ihm bei diesen Gedanken. Warum war das Einzige was ihm dazu einfiel Dinge, die mit Höhe zu tun hatten. Und das mit seiner Höhenangst...
 

Mit einem Seufzen streckte er sich in seiner Badewanne aus. Sie war nicht groß genug, dass er sich bequem der Länge nach hineinlegen konnte – welche Wanne konnte dieses Kriterium schon erfüllen? – aber sie war so tief, dass seine Knie nicht über den Beckenrand lugten, selbst wenn er sich ganz zurücklehnte.
 

Er nahm ein kleines Handtuch, dass er zuvor zurecht gelegt hatte, und trocknete seine Hände daran ab bevor er es gefaltet in seinen Nacken legte. Eine Weile starrte er gegen die Decke und versuchte seine Gedanken von den Momenten des Tages weg zu lenken, die in seinen Augen nicht optimal gelaufen waren. Das funktionierte nun leider nur nicht sonderlich gut, denn das Einzige was es ihm brachte war jeder Moment, der seinen Tag hatte immer schlechter werden lassen hintereinander abgespielt.
 

Kuroo seufzte und rieb sich die Augen, bevor er nach seinem Handy griff, das er ebenfalls bereit gelegt hatte. Als hätte er geahnt, dass er sich nicht einfach entspannen konnte. So jemand war er noch nie gewesen. Er musste seinen Kopf beschäftigen, sich ablenken, um langsam wieder zur Ruhe zu kommen und seine Energie aufzuladen. Nur fiel ihm das in letzter Zeit immer schwerer. Das Laufen – oder besser gesagt Rennen – hatte ihm zwar gut getan, aber nur für eine kurze Zeit. Und wenn er ehrlich war, dann war es ein Wunder dass er nicht irgendwann einfach gegen eine Laterne oder eine andere Person gerannt war. Er war abgelenkt gewesen, aber nicht auf die hilfreiche Weise.
 

Erst öffnete er die Chatapp und überlegte, wem er schreiben sollte. Er scrollte durch die ganzen Verläufe, öffnete einige, las etwas darin und schloss sie wieder. Oikawa, Terushima, seine Schwester? „Hey, ich sitze gerade in der Badewanne und hab Langeweile. Erzähl mal was!“ Kuroo schnaubte und schloss die App.
 

Stattdessen öffnete er nun die Nachrichtenapp und scrollte durch die Überschriften der Artikel. Wollte er sich gerade durch Meldungen und Diskussionen von Polizeieinsätzen, politischen Entscheidungen und die kleineren bis größeren Existenzkrisen arbeiten, die die Nachrichten regelmäßig in ihm auslösten? Eigentlich nicht. Das war doch eher kontraproduktiv. Lieber stumpf berieseln lassen?
 

Sein Daumen schwebte für einen Moment über dem kleinen blauen Vogel-Icon. Twitter war oft genug kaum besser als die Nachrichten, aber wenn er diese Tweets in seiner Timeline einfach überlas und sich stattdessen mit Sport beschäftigte?
 

Er registrierte erst dass er sie angeklickt hatte, als die App sich bereits öffnete. Kuroo hatte die App stumm schalten müssen, nachdem sie sich selbst Tage nach seiner Begegnung mit Bokuto nicht wieder beruhigt hatte. Die kleine rote Zahl bei seinen Benachrichtigungen war noch höher als das letzte Mal, als er nachgeschaut hatte. Nicht mehr lang und seine Followeranzahl wäre ebenfalls sechsstellig. Wenigstens das hätte er Daisho dann voraus, auch wenn das nie auf seiner Wunschliste an Erfolgen gestanden hatte.
 

Kuroo machte es sich in seiner Wanne bequemer und ignorierte die ganzen Direktnachrichten, die die App ihm anzeigte. Stattdessen begann die Timeline der Accounts denen er folgte entlang zu scrollen. Spielergebnisse, ein kurzer Clip von Kenma wie er sich in einen Stream über etwas „aufregte“, mehr Spielergebnisse, mehr Retweets dieses Videos mit ihm und Bokuto, wieder Kenma, Kenma, Kenma, Bokuto im Krankenhaus, Spielergenbisse, Oikawa...
 

Er hielt inne und scrollte zurück zu Bokutos Tweet. Es war ein Bild von ihm, wie er in einem Krankenhausbett saß. Er machte mit beiden Händen Peacezeichen und grinste mit diesem alles erhellenden Lächeln in die Kamera. Man sah noch den Arm von jemandem im Bild, der ebenfalls ein Peacezeichen zur Kamera hin machte und das grinsende Gesicht Atsumu Miyas, der das Bild als Selfie schoss. Als er das Bild antippte um es zu vergrößern tauchte Hinata neben Bokuto auf und lächelte ebenfalls strahlend. Er musste bei dem Anblick des offensichtlich gut gelaunten Trios selbst schmunzeln.
 

„Hey! Hey! Hey!!! Danke für die vielen Genesungswünsche! Mir geht es gut und ich hoffe bald wieder mit den Jungs spielen zu können!“ Auf die kurze Nachricht an seine Follower folgen noch eine Menge Herzen, auch in den Kommentaren. Bokuto war in Sachen Fankommunikation wirklich gut und an vorderster Front im Vergleich zu anderen professionellen Spielern. Im Moment hatte er wohl auch deutlich mehr Zeit dafür als sonst. So hatte er es mit diesem Post auch geschafft, dass Kuroo nun auf sein Profil geklickt hatte um zu sehen, wie es ihm in den letzten Tagen so ergangen war.
 

Viele seiner Tweets wurden von Bildern und Erinnerungen von vergangenen Spielen begleitet, dazwischen fand man immer wieder ein Update zu seinen Verletzungen und dort – ganz unauffällig und versteckt – der Tweet mit seiner Entschuldigung an Kuroo. Noch am selben Tag veröffentlicht, an dem er zum Sender gekommen war. Davon hatte er kein Wort verloren, das war wohl ihr kleines Geheimnis.
 

Er beachtete den Entschuldigungstweet nicht weiter, dazu war er viel zu sehr von den emotionalen Bilder der letzten Siege und diversen Schnappschüssen aus den Trainings abgelenkt. Diese wurden jetzt von immer mehr reinen Texten abgelöst, in denen der Volleyballer kurze Tagesupdates gab. Und wenn Bokuto dann mal in die Kamera strahlte, dann wirkte er müder als auf den anderen Bildern. Kuroo wollte nicht wissen wie anstrengend das Leben als Profisportler war, aber es war deutlich dass ihn die aktuelle Situation noch mehr anstrengte. Kuroo konnte nicht beurteilen, bei wie vielen Ärzten und Terminen er im Moment vorsprechen musste oder wie sehr ihn die Schmerzen vielleicht wach hielten. Aber auch wenn er müde wirkte, sein Lächeln gab seinen Fans das Vertrauen, dass es ihm gut ging und er bald wieder auf dem Spielfeld stehen würde.
 

Während er so durch Bokutos Profil scrollte vergaß er vollkommen die Zeit, bis er schauderte. Das Wasser um ihn herum war stark abgekühlt und endlich erhob er sich daraus, um sich eng in ein paar Handtücher zu wickeln. Wenigstens war es in dem Moment als er das Bad verließ nicht so kalt wie sonst, wenn er aus noch heißem Wasser gestiegen war. Es gab nichts was er mehr hasste als frieren. Als er sich in seinem Schlafzimmer anzog und noch überlegte, ob ein Sweatshirt zu übertrieben war ging eine Nachricht auf sein Handy ein.
 

Oikawa:

>>> Ich habe immer noch keine Antwort von dir

>>> Was wirst du tun?
 

Er musste noch nicht einmal nachfragen um zu wissen worum es ging. So sehr wie bei ihm im Moment jeder auf dem Thema Bokuto herumzukauen schien war nur klar, dass er immer noch die Einladung des anderen meinte. Etwas anderes verlangte auch nicht nach Kuroos Entscheidung und einer Antwort. Er wollte es schon wieder ignorieren, bevor ihm der müde Ausdruck in Bokutos Augen wieder in den Sinn kam. Und wie er gestrahlt hatte als er beim Sender war. Und wie er ihn angesehen hatte, bei diesem kleinen dummen Satz nach dem Spiel.
 

Kuroo durchquerte mehr oder weniger entschlossen seine Wohnung und wühlte in seiner Tasche nach seinem Notizbuch, in das er den kleinen gelben Zettel mit Bokutos Telefonnummer geklebt hatte. Einen Moment drehte er unschlüssig das Stück Papier in seinen Fingern. Vielleicht war Bokuto gerade auch zu sehr in seiner kleinen Welt gefangen und konnte mit dieser Verletzung einfach nicht ausbrechen. Vielleicht brauchte er auch einfach mal einen Tapetenwechsel, so wie Kuroo. Und vielleicht hatten seine Schwester und Oikawa ja recht. Im schlimmsten Fall gab es was Gutes zu essen...
 

* * *
 

Akaashi öffnete auf sein Klopfen hin die Tür. Es war eine Stunde nach Ladenschluss, bis auf sie beide war die Praxis leer. Das Licht brannte noch in allen Räumen, alles war fein säuberlich aufgeräumt und bereit dafür, dass der Inhaber nach hause gehen und am nächsten Tag wieder von vorn starten konnte. Doch stattdessen stand Bokuto auf seinem Krücken vor ihm, eine Hand hielt noch krampfhaft einen Umschlag mit Unterlagen von Untersuchungen und seiner Operation. Akaashi schnappte ihn sich, bevor er dem anderen herunter fallen konnte.
 

„Hallo, Bokuto. Wie geht es deinem Knie?“, fragte er ruhig wie eh und je und Bokuto spürte wie sich diese Ruhe auch in ihm ausbreitete. Das war schon immer einer seiner Superkräfte gewesen.
 

„Tut weh, aber die Schmerzmittel helfen ganz gut“, sagte er und trat endlich durch die Tür, die Akaashi hinter ihm schloss.
 

„Und wie geht es dir?“, fragte sein Freund und sah ihn eindringlich an. Bokuto fühlte sich mit einem Mal ertappt. Sie hatten zwar in den letzten Tagen öfter miteinander geschrieben oder telefoniert, wenn es der Zeitplan des anderen erlaubte, doch Bokuto hatte kaum über seine Gedanken gesprochen. Er wollte sie auch nicht wirklich aussprechen. Doch vor Akaashi war es in Ordnung, das wusste er...
 

„Unruhig, gelangweilt... Ich hätte beinah die Lampe im Wohnzimmer beim Pritschen zerschossen. Mama war vielleicht sauer“, murmelte er und folgte dem anderen in eines seiner Behandlungszimmer. Auch wenn Akaashi nicht lachte hörte er seine Belustigung, als er ihn bat sich auf die Liege im Raum zu setzen.
 

„Hättest du das nicht auch draußen machen können?“

„Es hat geregnet, da wollte Mama mich auch nicht raus lassen. Und das Wohnzimmer ist der einzige Raum, in dem die Decke dafür hoch genug ist. Ich fühl mich so eingeengt, ich will mich wieder bewegen können!“ Er jammerte nicht, würde er nie tun. Auch wenn er gerade zu schmollen begann.
 

„Wenn es deinem Knöchel wieder besser geht, sollte das auch langsam wieder möglich sein“, sagte Akaashi während der die Unterlagen durchblätterte, die Bokuto mitgebracht hatte. Er blickte auf und bedachte den anderen mit einem kleinen Lächeln. „Mit der Schiene ist dein Knie stabilisiert, bis alles ausgeheilt ist. Nur übertreiben solltest du es nicht. Die Betonung liegt auf langsam. Das meine ich ernst.“
 

Selbst wenn die Aussicht sich bald wieder mehr und freier bewegen zu können immer näher kam musste er bei dem ernsten Tonfall des anderen nur noch mehr schmollen. Ihm war ja bewusst, dass er wirklich genau darauf achten musste wie er sich in der Heilungsphase verhielt, aber es war so schwer. Wenn man sein Leben lang oft und viel Sport gemacht hatte und einem das plötzlich mit der Auflage drei Mal am Tag vorsichtig und langsam den Hausflur auf und wieder ab zu gehen entrissen wird... Langsam aber sicher wurde er wahnsinnig. Und es war auch nicht das Einzige, was ihn beschäftigte.
 

„Vielleicht habe ich noch was anderes Dummes gemacht, was nichts mit meinem Knie zu tun hat“, begann er und beobachtete wie der Blick des anderen zunächst fragend wurde und schließlich eine Art Resignation zeigte, die er schon lang nicht mehr bei ihm gesehen hatte.
 

„Wieso fürchte ich, dass es wieder etwas mit diesem Kuroo zu tun hat?“

„Vielleicht weil es stimmt?“ Bokuto lächelte vorsichtig und als Akaashi die Mappe mit seinen medizinischen Unterlagen senkte ohne den Blick von ihm abzuwenden nahm er das als Zeichen ihm zu erzählen, was er „angestellt“ hatte. Und dass er immer noch nichts von Kuroo gehört hatte, nachdem er bei ihm gewesen war. Akaashi hörte es sich schweigend an und bedachte ihn mit einem Blick, der alles bedeuten könnte.
 

„Sehe ich das richtig, dass du ihn erst in Verlegenheit gebracht, dann überrumpelt und zum Abschluss in Zugzwang gebracht hast? Und das alles ohne große Erklärungen?“, sagte er und schob seine Brille zurecht. Bokuto sah ihn verwundert an, was den anderen zu seufzen brachte. „Und so wie du schaust hast du auch nicht wirklich darüber nachgedacht, oder? Vielleicht ist es ihm Unangenehm, Bokuto.“
 

„So habe ich das wirklich nicht gesehen“, sagte er und blickte nachdenklich auf seine Knie. Was, wenn er Kuroo damit nervte? Wenn der andere ihn am liebsten gar nicht mehr gesehen und die ganze Sache am liebsten einfach vergessen hätte? Was, wenn er es für ihn damit nur schlimmer gemacht hatte?
 

Akaashi erhob sich und kam zu Bokuto an die Liege, wo er diesem bedeutete sich darauf auszustrecken. Bokuto folgte den Anweisungen und mit geübten Handgriffen zog Akaashi seinem Patienten den Schuh aus und beide Schienen von seinem verletzten Bein.
 

„Überrumpeln ist eben nicht immer die besten Strategie. Sag, wenn es weh tut“, sagte er bevor er seine Ferse in die Hand nahm und begann langsam sein Bein anzuwinkeln. Weit schafften sie es nicht, bevor Bokuto sich bemerkbar machte. Die Schwellung der Operation und das Ziehen an der Naht gaben einen unangenehmen Widerstand. Mit einem Nicken streckte Aksaashi das Bein des anderen wieder aus und begann seinen Knöchel zu kreisen. Das ging deutlich flüssiger und verursachte auch so gut wie keine Schmerzen mehr.
 

Bokuto schwieg in Gedanken versunken und bemerkte den forschenden Blick des anderen nicht, der regelrecht beobachtete wie er versuchte zu einer Erklärung für das schweigen des Reporters zu kommen. Da hatte Akaashi was losgetreten. Und recht hatte er. Er war einfach egoistisch vorgegangen. Bokuto hatte gar nicht daran gedacht, wie es für den anderen sein musste. Vermutlich würde er nie wieder von ihm hören.
 

„Vielleicht braucht er auch einfach nur etwas länger für eine Entscheidung“, begann Akaashi schließlich wieder und legte Bokutos Bein auf der Liege ab. Der Blick des anderen wanderte von der Zimmerdecke zurück zu ihm.
 

„Ja, vielleicht... Oh man, was hab ich mir dabei nur gedacht“, stöhnte Bokuto und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Akaashi wusste, was er an Kuroo fand und hatte ihm so oft geraten in der Hinsicht nichts Dummes zu machen. Und jetzt lag er hier, hatte dem anderen Mann gesagt, dass er ihn hübsch fand, war einfach zu ihm gegangen um mit ihm zu reden und hatte ihm seine Nummer in der Hoffnung gegeben, dass sie sich tatsächlich noch einmal treffen würden.
 

Zwischen Akaashis seufzen und seinem Stöhnen über seine eigene Dummheit wäre das leise „Ping“ in seiner Hosentasche beinah untergegangen. Bokuto erwartete keine Nachrichten. Seine Teamkollegen und Schwestern waren alle beschäftigt und seine Eltern schrieben keine Textnachrichten. Irritiert fischte er sein Handy hervor, während Akaashi weiter seine Gelenke abtastete. Als er es entsperrte und die Nachricht las wäre ihm das Gerät beinah aus der Hand auf sein Gesicht gerutscht. Er las sie noch einmal. Und noch einmal. Schließlich setzte er sich mit einem überraschten Laut auf.
 

„Was ist?“, fragte Akaashi und Bokuto blickte kurz von dem kleinen Bildschirm auf.
 

„Es ist Kuroo“, antwortete er leise und las noch einmal über die wenigen Zeilen die der andere ihm geschrieben hatte. Auch Akaashi gab ein leises „Oh?“ von sich. Sein Herz schlug ihm mit einem Mal wieder bis zum Hals. „Und er möchte sich mit mir treffen.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Ich habe jetzt einen Twitteraccount . Wer möchte kann mich dort gern belästigen und für Updates folgen :)
Vielleicht lerne ich dort auch endlich etwas Nützliches für diese FF, hahaha :D Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  _Zirkonia_
2021-11-12T15:19:45+00:00 12.11.2021 16:19
Ein wieder sehr tolles Kapitel freue mich schon aufs das nächste
Antwort von:  Jimini
12.11.2021 19:30
Vielen Dank! Ich gebe weiterhin mein Bestes :)


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