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Von Hoffnung und Verrat

von

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Der nächste Morgen...
 

Die ersten Sonnenstrahlen trafen die Außenwände des Langhauses.

Das Vieh der Bauern in den Stallungen wartete bereits lautstark darauf, versorgt zu werden.

Nach und nach begannen die Menschen in der Siedlung ihrer Arbeit nachzugehen.

Ruadan, der Stallmeister, füllte den Wassertrog für die Pferde.

Yanli, die Händlerin, stellte die ersten Körbe der gestern eingetroffenen Ware vor ihren kleinen Laden.

Und Petra, die Jägerin der Siedlung, setzte die Reinigung der Felle fort, die sie am Vortag begonnen hatte.

Niemand von ihnen ahnte, was zur selben Zeit im Langhaus geschah.
 

Valka tränkte, wie schon unzählige Male zuvor, ein Stück Stoff in einem Eimer mit eiskaltem Wasser.

Sie war schweißgebadet, als sie Eivor das kühle Tuch abermals auf die Stirn legte.

Die ganze Nacht hatte sie damit verbracht, herauszufinden, was Eivor fehlte.

Doch noch immer war diese weder aufgewacht, noch hatte sich etwas an ihrem Zustand geändert.

Eivor war fiebrig und blass.

Sie hatte eine Platzwunde über dem linken Wangenknochen, die offenbar durch einen Schlag entstanden war. Valka machte diese jedoch nicht für Eivors lange Bewusstlosigkeit verantwortlich.

Sie fürchtete eher, dass es sich um eine Art Vergiftung handelte.

Sie fühlte immer wieder die Temperatur auf Eivors Wangen, nahm ihre Hand, um eventuelle Bewegungen bemerken zu können. Aber nichts passierte.
 

Randvi, die seit einiger Zeit nur noch aufgewühlt im Zimmer auf und ab lief, setzte Valka noch mehr unter Druck.

„Du musst doch irgend etwas tun können! Irgendwas!“, rief sie immer und immer wieder.

Valka antwortete nicht.

Sie dachte angestrengt nach, was Eivor fehlen könnte. Kurzerhand begann sie, sich im Raum umzusehen.
 

„Was ist?“, fragte Randvi nervös.
 

„Ihr habt Eivor letzte Nacht so vorgefunden?“
 

„Ja. Und da war noch dieses Mädchen. Eysa. Sie verließ gerade fluchtartig das Langhaus, als wir auf dem Weg zu Eivors Schlafkammer waren. Sigurd rannte ihr noch hinterher, doch er fand sie nicht mehr. Das habe ich dir doch schon mehrfach gesagt, Valka!“ Randvi war mit ihren Nerven am Ende.

Eivor so da liegen zu sehen und nicht zu wissen was war, das war zu viel für sie.

Doch Valka ließ sich dadurch nicht beirren.

Sie ließ von Eivor ab und stand auf.
 

„Dieses Mädchen. Ich denke, sie hat etwas damit zu tun.“

Ihr Blick schweifte von Eivors Tisch in der linken Ecke des Raumes über einige kleine Kisten bis hin zum Rüstungsständer, der noch immer auf dem Boden lag.
 

„Da ist sehr viel Blut auf dem Boden. Das kann unmöglich nur von Eivor stammen.“

Valka kniete sich auf den Boden und untersuchte die Blutlache, die mittlerweile eingetrocknet war.

In der Hektik der letzten Nacht waren sie alle mehrmals hindurch gelaufen und hatten vieles verwischt.

Doch Valka konnte eine kleine Spur erkennen, die hinaus in die große Halle führte.

Aufmerksam folgte sie nun dieser Spur.

Randvi beobachtete sie, blieb jedoch in der Tür zu Eivors Schlafkammer stehen, um Eivor im Auge behalten zu können.
 

Die bunten Teppiche auf dem Boden des Langhauses machten es für Valka unmöglich, der Blutspur weiter zu folgen.

Doch etwas anderes viel ihr wenig später ins Auge.

Die Feuerstelle.

Valka näherte sich dem Topf, in dem sich mittlerweile nur noch verbrannte Reste befanden.
 

„Habt ihr gestern etwas gekocht?“, fragte sie an Randvi gewandt, ohne die Augen von der Kochstelle zu lassen.
 

„Nein, warum fragst du? Hast du etwas gefunden?“

Valka antwortete nicht.

Für einen kurzen Moment dachte sie, einen Geruch wahrzunehmen.

Einen, der ihr sehr bekannt war und doch zu schwach, um dass sie ihn hätte bestimmen können.

Konzentriert atmete sie ein.

Da war er wieder. Es war ein beißender, fauliger Geruch.

Sie sah sich weiter um, über die sauberen Tische, auf denen lediglich vereinzelt gefüllte Obstschalen standen, bis ihr Blick an den beiden Bechern hängen blieb, die vor ihr auf dem Tisch standen.

Jeder der Becher war am Boden noch mit einem Rest Flüssigkeit bedeckt, was bedeutete, dass sie erst vor Kurzem benutzt worden waren.
 

Valka nahm sich den ersten. Die Flüssigkeit in ihm war klar und geruchlos.

Eindeutig Wasser.

Als sie den zweiten Becher in die Hand nahm, bemerkte sie bereits wieder diesen fauligen Geruch, nach dessen Ursache sie gesucht und sie nun gefunden hatte.
 

Valka blickte in den Becher und erkannte eine rotbraune Flüssigkeit, teilweise durchsetzt von kleinen Fasern, die zu denen einer Pflanze passten.

Sie roch noch einmal daran, um wirklich sicher zu sein, dass sie nicht falsch lag.

Dann wandte sie sich zu Randvi um.
 

„Das ist Altweiberklaue. Ich habe keine Zweifel. Eivor muss davon getrunken haben.“
 

Valka stellte den Becher zurück auf den Tisch und presste sich an Randvi vorbei, zurück in Eivors Schlafkammer, um erneut deren Temperatur zu kontrollieren.
 

„Und was heißt das nun? Wird sie das überleben? Bitte sprich mit mir, Valka!“

Randvi ließ sich resignierend auf die Bettseite neben Eivor fallen und nahm deren Hand.

Voller Sorge sah sie in Eivors Gesicht, während sie ihr vorsichtig über die Wange strich.
 

„Sie wird überleben, aber die Wirkung dieser Pflanze ist sehr stark. Die Altweiberklaue wird verwendet, um das Verständnis zwischen Körper und Geist zu benebeln und dafür zu sorgen, dass du die Wahrheit sprichst.“

Valka nahm das Tuch von Eivors Stirn und tränkte es erneut mit kaltem Wasser.
 

„Du meinst, diese Pflanze wird als Mittel genommen, um jemanden zu befragen, von dem du befürchtest, dass er nicht die Wahrheit sagen könnte?“
 

„So ist es. Diese Pflanze wird seit Jahrhunderten zur Wahrheitsfindung besonders bei Dieben und Mördern eingesetzt, um den Befragten gesprächig zu machen. Und so sehr du es auch versuchst. Unter ihrem Einfluss ist es nicht möglich, eine Lüge zu sprechen.“
 

Randvi schüttelte fassungslos den Kopf.

„Aber warum sollte jemand Eivor so etwas antun?“

Valka platzierte erneut das kalte Tuch auf Eivors Stirn und richtete sich dann auf.
 

„Ich nehme an, um Informationen über irgendetwas aus ihr heraus zu bekommen. Ich werde gehen und nachsehen, ob Sigurd und seine Späher schon etwas neues über diese Eysa herausgefunden haben. Bleib du bitte hier, bei Eivor. Es kann noch dauern, bis sie aufwacht, aber wenn, dann sollte jemand bei ihr sein.“

Randvi nickte still, während Valka das Zimmer verließ.

Ihr Blick wanderte herüber zu Eivor. Sie rutschte näher an sie heran und beugte sich zu ihr herunter, während sie ihre Hand noch immer fest im Griff hielt.

Eivor atmete ruhig und gleichmäßig.

Irgendwie beruhigte Randvi das.

Seit sie hierher nach England gekommen waren, hatte sich ihre Beziehung zu Eivor sehr verändert.

In Fornberg hatte sie Eivor praktisch nie zu Gesicht bekommen. Sie hörte immer bloß von der mächtigen Kriegerin, die alles erreichte was sie sich vor nahm.

Eivor war oft lange Zeit auf See und plünderte die Hafenstädte. Das erste Mal kennen gelernt hatten sie sich bei Randvis Vermählung mit Sigurd.

Schon damals war ihr Eivor direkt ins Auge gefallen. Ihre starke Ausstrahlung, die ausgeprägten Muskeln, das blonde Haar und die wundervoll blauen Augen.

Randvi hatte es sich nie eingestanden, doch schon damals war es um sie geschehen.

Ihre Heirat mit Sigurd brachte sie schließlich immer näher an Eivor, sodass sie sich besser kennen lernten und später eine gute Freundschaft daraus entstand.

Für mehr hatte es leider nie gereicht.

Randvi wusste, dass dies natürlich daran lag, dass sie und Sigurd vermählt waren.

Doch in Momenten wie diesen, in denen sie so nah bei Eivor war, da fragte sie sich, was gewesen wäre, wenn sie ihre Gefühle nur offen ausgesprochen hätte.
 

Gedankenverloren blickte sie in Eivors Gesicht, sah deren weiche Lippen, die wunderschönen Gesichtszüge.

Sie konnte sich nicht beherrschen.

Randvi beugte sich weiter vor und gab Eivor einen vorsichtigen Kuss auf die Lippen.

Sie schloss die Augen und atmete tief ein.

Der Geruch des Rosenwassers auf Eivors Haut in Kombination mit dem rauchigen Geruch, den ihre Felle angenommen hatten brachte Randvi um den Verstand.

Sie wusste, dass sie das Falsche tat, doch konnte sie nicht aufhören, Eivor zu küssen.
 

Erst ein leises Räuspern hinter ihr ließ sie aufschrecken.

Sie sprang vom Bett auf und senkte den Kopf, um die Schamesröte zu verstecken, die ihre Wangen umspielte.

Gleichzeitig versuchte sie, sich hektisch zu erklären.

„Valka! Hast du mich erschreckt! Ich... ich... wollte nur nachsehen, wie ihre Wunden verheilen.“

Ein kurzes, nervöses Räuspern entfuhr ihr.
 

„Und ich wollte dich nur darüber informieren, dass man das Mädchen nicht finden konnte“, gab Valka trocken zurück, während sie sich erneut zu Eivor herunter setzte, um ihre Temperatur zu überprüfen.
 

Randvi strich sich verlegen über die Kleidung, während sie sich dazu entschied, die Situation einfach ohne weitere Worte so stehen zu lassen.

Auch, wenn sie bemerkte, dass Valka mit dem haderte, was sie gerade zu sehen bekam.
 

„Vielleicht suchst du deinen Ehegatten auf. Er ist unten an der Anlegestelle. Er wird dir sagen, was als nächstes zu tun ist. Ich bleibe hier, bei Eivor.“

Valka blickte Randvi prüfend hinterher, während diese wortlos nickend das Zimmer verließ.

Dann setzte sie sich auf den Boden und begann, die Götter um ihr Wohlwollen anzubeten.



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