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Pet

von

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Makoto starrte in seinen Nudelbecher. Am Boden eine Vielzahl feuchter Krümel umgeben von einer Lache klarer Flüssigkeit. Überreste seiner Mahlzeit. Gewürze. Pfeffer und Paprika, dazu Zimt, Anis und Kardamom. Makoto war sich nicht ganz sicher, ob nicht noch etwas fehlte. Nelken vielleicht? Oder Fenchel? Ingwer? Irgendetwas jedenfalls, dass der Suppe eine tröstende, leicht süßliche Note gegeben hatte. Jetzt war sie alle und er musste sich wieder der Realität stellen. Der Realität, die in Form von Aki neben ihm saß und darauf wartete, dass Makoto ihm Anweisungen gab. Makoto atmete tief ein und räusperte sich.

 

„Bist du fertig?“

 

Aki, der gerade noch vorgegeben hatte, vollkommen in sein Tun vertieft zu sein, blickte auf. Seine gelben Augen taxierten Makoto.
 

„Noch nicht ganz. Möchtest du, dass ich mich beeile?“

 

Die Frage schien harmlos. Eine ganz einfache Bitte um Information. Und doch ahnte Makoto, dass es so einfach nicht war. Nicht mehr. Er grollte.
 

„Ja. Iss auf. Wir müssen uns um deine Verletzungen kümmern.“

 

Aki nickte gehorsam. Senkte den Kopf und schlürfte die letzten Nudeln in sich hinein, bevor er die Stäbchen beiseitelegte und den Becher hob, um die Brühe zu trinken. Makoto sah, wie sein Hals sich dabei bewegte. Die Ansätze seines Schlüsselbeins. Die Yukata, so ordentlich Aki sie auch geschlossen hatte, war verrutscht. Enthüllte mehr, als sie sollte. Makoto presste die Kiefer aufeinander.

 

„Wenn du fertig bist, wirf die Becher in den Müll. Ich hole derweil das Verbandszeug.“

 

Nach dieser Ankündigung stand Makoto auf und versuchte die Stimme in seinem Inneren zu ignorieren, dass er gerade ziemlich viel – vielleicht zu viel – riskierte. Was, wenn Aki beschloss, sich wieder nicht an seine Anweisungen zu halten? Wenn er ihnen nicht Folge leistete oder sogar versuchte zu fliehen?

 

Dann werde ich ihn eben wieder anbinden.
 

Es war eine logische Schlussfolgerung dessen, was passiert war. Und doch wusste Makoto, dass das nur einen Teil seiner Probleme löste. Er würde sich weiter um Aki kümmern müssen und zwar ohne ihm dabei zu nahe zu kommen. Viel zu nahe. Unangebracht nahe.

 

Schluss jetzt. Hör auf, darüber nachzudenken.

 

Immer noch bemüht, seine widersprüchlichen Gefühle unter Kontrolle zu bekommen, öffnete Makoto den Badezimmerschrank, nahm Mullbinden und das Jodfläschchen heraus und machte sich zurück auf den Weg in die Küche. Er fand Aki neben dem Tresen stehend. Der Junge hielt den Kopf gesenkt, seine Finger kerzengerade auf seinen Oberschenkeln.
 

„Ich … ich war mir nicht sicher, ob ich mich wieder setzen soll“, sagte er schnell, bevor Makoto etwas dazu bemerken konnte. Seine Zehen krümmten sich auf dem hölzernen Fußboden. Er hatte die Hausschuhe nicht angezogen, die Makoto ihm gegeben hatte. Makoto wandte den Blick ab.
 

„Ja, du sollst dich setzen“, sagte er und gab sich Mühe, dabei möglichst bestimmt zu klingen. „Ich muss mir deinen Kopf ansehen.“

 

Aki hob den Blick. Für einen winzigen Moment – so kurz, dass Makoto sich nicht einmal sicher war, ob er sich nicht geirrt hatte – blitzte etwas in seinen Augen auf. Es war kein Trotz, sondern vielmehr … Makoto konnte nicht sagen was, aber es gefiel ihm nicht.

 

„Na los! Wird’s bald?“

 

Makotos Schnappen hatte ein schnelles Nicken zur Folge. Wie ein geprügelter Hund schlich Aki an ihm vorbei und nahm erneut auf den Stuhl Platz. Makoto legte die Verbandssachen auf den Tresen. Anschließend machte er sich daran, die Binden vom Vorabend zu lösen. Sie waren verfärbt und hatten unschöne Trockenränder, wo Jod und Körperflüssigkeiten aufgehört hatten, in den Stoff zu steigen. Achtlos ließ Makoto sie fallen und strich das helle Haar zur Seite. Der Riss auf der Kopfhaut glänzte immer noch feucht und rot. Schorfreste klebte daran, aber Makoto konnte keinen unangenehmen Geruch wahrnehmen und die restliche Haut erschien sauber und kühl. Keine Anzeichen einer Entzündung. Sie hatten Glück gehabt.
 

„Sieht gut aus“, erklärte Makoto, während er begann, die Flasche mit dem Iod zu öffnen. „Du musst jetzt stillhalten. Beweg dich nicht.“

 

Sofort versteifte sich Aki unter seinen Händen. Makoto bemerkte es, bemühte sich jedoch, sich auf seine Arbeit zu konzentrieren. Er desinfizierte die Wunde noch einmal und griff dann nach einer frischen Wundauflage und einer Mullbinde. Schicht um Schicht des gazeartigen Stoff wickelte er ab, bis schließlich ein formvollendeter, weißer Kreis Akis Kopf zierte. Mit den Zähnen riss Makoto ein Stück Heftpflaster ab und fixierte das Ende der Binde. Danach trat er ein Stück zurück.
 

„So. Fertig.“

 

Aki hob langsam den Kopf. Er hatte die ganze Zeit stillgehalten, doch jetzt, wo Makoto aufgehört hatte, an ihm herumzufummeln, kam wieder Leben in ihn. Sein Blick glitt nach oben.

 

„Wie … sehe ich aus?“

 

Als Makoto nicht sofort antwortete, setzte er hinzu: „Der Verband, meine ich. Ist es … sehr schlimm?“

 

Makoto schnaufte.
 

„Nein. Du siehst nur aus, als hättest du dir den Kopf angestoßen. Nichts weiter.“

 

Die Antwort schien Aki etwas zu beruhigen. Er musterte Makoto noch einen Augenblick lang, bevor er auf dem Stuhl herumrückte und sich leicht auf die Lippen biss.

 

„Was ist mit meinem Fuß? Wirst du ihn dir auch ansehen?“
 

Die Worte, so unschuldig sie waren, ließen Makotos Herz für einen Moment aus dem Takt kommen. Er wusste, dass es besser war, wenn er auch diese Verletzung kontrollierte. Sicherstellte, dass alles in Ordnung war. Er wusste nur auch, was das bedeutete.

 

Makoto schluckte.
 

„Ja, ich … werde ihn mir ansehen.“

 

Makoto spürte, wie sich seine Hände zu Fäusten ballten. Die Erinnerungen der letzten Nacht drängten erneut an die Oberfläche. Makoto tat sein Bestes, um sie zurückzuhalten, aber sie waren überall.
 

„Am besten du … bleibst einfach dort sitzen.“

 

Er wusste, dass es ein Fehler war. Die Position, in der Aki sich befand, ähnelte viel zu sehr des Traums. Und doch konnte Makoto sich nicht dazu bringen, ihn irgendwo anders zu positionieren. Er trat näher.

 

„Ich werde dir jetzt … die Strümpfe ausziehen.“

 

Noch während er das sagte, wusste Makoto bereits, dass er damit die Bresche nur noch tiefer schlug. Er hätte Aki die Strümpfe selbst ausziehen lassen müssen. Ihm sagen, dass es nicht notwendig war, den Verband zu begutachten. Und doch beobachtete er sich selbst dabei, wie er vor den Jungen in die Knie sank und seine Hände nach den Säumen der Strümpfe ausstreckte.

 

Sachte.

 

Mit einem tiefen Atemzug brachte Makoto sich selbst zur Raison. Das hier war lediglich eine Notwendigkeit. Er musste nach Akis Wunde sehen und diese war rein zufällig an seinem Fuß. Es hatte nichts damit zu tun, dass Makoto irgendeine perverse Befriedigung daraus zog, den weißen Stoff langsam von Akis langen, schlanken Beinen zu streifen. Es war nichts besonderes daran, dass er seine Hand um dessen Knöchel legte und ihn zu sich heranzog. Es war kein Problem, dass er den Fuß sorgsam untersuchte um herauszufinden, ob sich dieser heiß und geschwollen war. Dass er mit den Fingern sanft über die geschwungene Sohle strich, die Fesseln, die einzelnen Zehen. Es war … nichts dabei.
 

„Makoto?“

 

Makoto schreckte hoch und sah zu Aki hinauf, der ihn von seinem Stuhl aus beobachtete. Er hatte sein Bein ausgestreckt, bemüht, Makoto allen Zugang zu gewähren, den dieser benötigte. Und obwohl es nichts weiter war als eine medizinische Untersuchung, war da etwas in Akis Blick, das Makoto zucken ließ. Seine Hände begannen zu zittern. Aki lächelte.
 

„Meinst du nicht, dass es besser wäre, wenn wir … ins Schlafzimmer gehen? Ich könnte mich wieder auf das Bett knien. Oder mich auf den Bauch legen. Ganz wie du möchtest. Dann würdest du besser an alles herankommen. An alles, was du gern hättest.“

 

Makoto erstarrte. Heiße und kalte Schauer jagten über seinen Rücken, als ihm klar wurde, dass Aki Bescheid wusste. Er wusste es! Wusste, wie Makoto ihn angesehen hatte. Was er sich angesehen hatte. Er hatte das unmerkliche Zögern bemerkt, die viel zu ausschweifenden Berührungen. Die Dinge, die Makoto begehrte und doch nicht haben konnte. Er wusste davon. Und jetzt wusste Makoto es auch.

 

Makoto schluckte. Ihm war klar, dass er reagieren musste. Das Schiff umlenken, bevor es an den Klippen zerschellte. Aber wie? WIE?

 

„Nein, danke ich … komme zurecht.“

 

Eine glatte Lüge und doch das Einzige, was Makoto noch zwischen sich und das Monster bringen konnte, dass er erschaffen hatte. Plötzlich bereute er, seine Vorräte an Alkohol schon so leichtfertig aufgebraucht zu haben. Ein Schluck oder zwei hätten ihm jetzt sicher Erleichterung verschafft. Vielleicht eine ganze Flasche!
 

„Ich … glaube, der Fuß ist in Ordnung. Du brauchst keinen neuen Verband.“

 

Die Worte kamen nur zögernd aus seinem Mund. Ebenso zögernd, wie er Akis Fuß aus seinem Griff entließ. Aki, der offenbar nicht mit so eine Reaktion gerechnet hatte, hob leicht die Augenbrauen.
 

„Aber … denkst du nicht, dass es besser wäre, mal nachzusehen? Vielleicht reicht ja inzwischen ein Pflaster. Der Schnitt war schließlich nicht tief.“

 

Der Schnitt war nicht tief.

 

Makoto wusste natürlich, dass Aki das wissen musste. Wissen konnte, weil er es ihm gesagt hatte. Und doch reichte die Art und Weise, mit der Aki es aussprach, um Makoto Gewissheit zu geben.

 

Er hat das mit Absicht gemacht.

 

Die Erkenntnis, so offensichtlich sie eigentlich hätte sein müssen, traf Makoto vollkommen unerwartet. Niemals hätte er gedacht, dass der Junge so weit gehen würde. Sich selbst zu verletzen um …

 

Makoto konnte nicht atmen.
 

„Nein“, sagte er und wagte nicht, Aki dabei in die Augen zu blicken. „Ich werde morgen danach sehen. Für heute sind wir hier fertig.“

 

Makoto erhob sich. Erst jetzt wurde ihm bewusst, in welche Position er sich gerade noch gebracht hatte. In welche Position ihn Aki hineinmanövriert hatte. Für Makoto bestand kein Zweifel mehr daran, dass der Junge dies alles sehr, sehr sorgfältig geplant hatte. Und er war zu dumm gewesen, um das zu erkennen.

 

„Geh“, sagte er nahe am Rande seiner Beherrschung. „Auf dem Boden neben dem Sofa liegt eine Tasche. Darin ist Kleidung. Ich will, dass du sie anziehst.“

 

Aki, der ihn immer noch musterte, senkte den Blick. In seinem Mundwinkel saß ein winziges Lächeln. Wie ein süßer Krümel.
 

„Ja, Makoto“, hauchte er, immer noch mit diesem wissenden und irgendwie leicht spöttischen Ausdruck auf dem Gesicht. „Natürlich. Ich tue alles, was du möchtest. Du musst es nur sagen und ich werde gehorchen.“
 

Makoto spürte in sich das Bedürfnis zu schreien.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  chaos-kao
2024-01-07T03:42:23+00:00 07.01.2024 04:42
Aki Ist fies. Schon interessant wie sich gerade die Machtverhältnisse verschieben. Wie Aki so ausgefuchst alles tut um Kontrolle über die Situation zu erlangen und Makoto vor einer harte Prüfung nach der anderen stellt. Bisher glaube ich mein Lieblingskapitel!
Antwort von:  Maginisha
07.01.2024 11:08
Bisschen, oder? Aber Aki handelt halt auch aus einem Selbsterhaltungstrieb heraus. Und objektiv hat Makoto ihn ja immer noch in seiner Gewalt. Andererseits hat er sich jetzt auch verraten. Das dürfte die Dynamik ziemlich ändern.


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