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A light in the dark

von

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4

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Als er erwachte, lag der Raum in einem tröstlichen Halbdunkel; offenbar hatte man beschlossen, ihn zumindest zeitweilig in Ruhe zu lassen.

„Geht es dir besser?“

Erschrocken fuhr Schuldig hoch. Schon wieder dieser Kerl, dessen Gedanken er nicht spüren konnte...

„Ganz ruhig. Für heute hast du's hinter dir. Monsieur le docteur hat schon vor zwei Stunden Feierabend gemacht.“

„Oh...“

Humorlos lächelnd liess der Mann sich neben ihm auf der Liege nieder. „Er wird dir nichts tun – nichts, was dauerhafte Schäden hinterlässt. Noch bist du zu wertvoll für ihn.“

Noch.

/Sorg gefälligst dafür, dass es so bleibt./

Wie meinst du das?

/Tu, was sie von dir verlangen. Du hast doch gehört, was er gesagt hat, oder? Was auch immer sie tun werden – es wird vorbeigehen. Und je weniger du dich wehrst, desto größer sind unsere Chancen, mit heiler Haut hier herauszukommen./

Aber... Brad...

/Was glaubst du, auf wessen Veranlassung du hier bist?/

NEIN!

/Doch./

Das glaube ich nicht! Er würde nicht...

/Bist du dir da ganz sicher?/

...nein...

Geknickt senkte Schuldig den Kopf. Brad hatte ihn verraten... Brad, dem er trotz aller Differenzen immer mehr oder weniger vertraut hatte. Brad, der ihm versprochen hatte, ihn zu beschützen...!

„Hey.“

Das schmale, scharf geschnittene Gesicht des anderen drückte beinahe so etwas wie Mitgefühl aus. „Er wird kommen.“

„W...was?“

„Du weißt genau, wen ich meine. Hier – trink erst mal was.“

Gehorsam nippte der Telepath an dem angebotenen Glas. Das kalte Wasser darin erschien ihm wie ein Geschenk des Himmels.

„Langsam, sonst wird dir noch schlecht.“

Erstaunt starrte Schuldig sein Gegenüber an. „Was soll das? Warum kümmerst du dich um mich?“

Schulterzucken. „Ich habe den Befehl dazu bekommen.“

„Und du tust alles, was sie dir befehlen?“

„So lange sie mich dafür bezahlen – ja.“

Auf Anhieb fielen dem Deutschen zu dieser Aussage mindestens fünf gehässige Kommentare ein, doch die verbiß er sich lieber. Nachdenklich wickelte er sich eine Haarsträhne um den Zeigefinger. „Wie heißt du eigentlich?“

„Etienne Maginot.“

„Oh...“

„Frag nicht.“

„Okay.“

Schweigen. Dann: „Ist es nicht sehr anstrengend?“

Schuldig musterte sein Gegenüber mißtrauisch. Das ist unmöglich. Das kann er nicht wissen. „Was meinst du?“

„Deinen... Mitbewohner. Wie war doch gleich sein Name...?“

Zu seinem Entsetzen spürte der Rothaarige eiskalte Spinnenfinger nach seinem Hirn tasten. Mastermind schrie panisch auf; Schuldig schleuderte dem Eindringling all seine Kraft entgegen... und rannte buchstäblich ins Leere. Es war, als würde er gegen einen Schatten kämpfen, denn Etienne wich ihm immer wieder aus. „Nein...“

Er berührte einen nebligen Erinnerungsfetzen, sah einen kleinen Jungen; lange Nadeln steckten in seinem Schädel. Derselbe Junge, in einem mit Nährlösung gefüllten Tank gefangen, konvulsivisch zuckend. Etienne, nur wenig jünger als jetzt, blutüberströmt, seinen Zorn hinausschreiend, die Maschinenpistole im Anschlag. Etienne, der...

„Das reicht.“

Schlagartig senkte sich diese eigenartige geistige Taubheit wieder auf Schuldigs Gedanken. Verstört zog er die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Was hatte der Söldner wohl in seinen Gedanken gesehen?

„Nichts, was dir unangenehm sein müsste. Andererseits... was findest du ausgerechnet an DEM?“

Schuldig beschloß, diese Frage sicherheitshalber weder laut noch gedanklich zu beantworten.
 

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Die Reise war ein recht guter Vorgeschmack auf das gewesen, was ihn dereinst in der Hölle erwarten mochte. Als hätte es nicht genügt, dass Nagi so lange gequengelt und bei zukünftigen Missionen mit Streik gedroht hatte, bis Brad zähnekirschend zugestimmt hatte, ihn mit in die Schweiz zu nehmen – nein, jetzt hatte der Teenager auch noch eine seiner Trotzphasen und nörgelte in einer Tour.

Der Pilot war geflogen wie der letzte Henker, die Stewardessen waren unfreundlich und das Essen unter aller Sau gewesen. Was die beiden Nonnen und den Priester anging, die zwei Reihen vor ihnen gesessen hatten... Nicht, dass Farfarello nicht ohnehin schon seit Schuldigs Verschwinden unausstehlich war, aber das hatte nun wirklich alles in den Schatten gestellt.

Der Fairness halber mußte man allerdings erwähnen, dass der Ire sich schließlich – wenn auch nur widerstrebend – Crawfords Argumentation gebeugt hatte:

1)Es ist schwer, in einem Flugzeug eine Leiche verschwinden zu lassen – vor

allem in einem voll besetzten.

2)Zu viele potentielle Zeugen.

3)Kein Schuldig, um gegebenenfalls die Erinnerung derselben zu verändern.

4)Häßliche, hartnäckige Blutflecken auf den Sitzen (und, wenn man Farfarellos

üblichen Modus operandi bedachte, vermutlich auch auf Crawfords Anzug).

Selbst jetzt, als sie sich längst mit einem Leihwagen durch die Alpen kämpften, hatte der Berserker noch immer übelste Laune. Schweigend hockte er neben dem stur auf seinen Laptop einhackenden Nagi und spielte mit seinen im Duty-Free-Shop erworbenen Messern.

Seufzend wandte Brad seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu. Großartig, schon wieder eine kreuzende Kuhherde! Für das Orakel, das den größten Teil seines Lebens in Großstädten verbracht hatte, stand fest, dass die Hölle entweder wie das hier oder wie das Innere einer Linienmaschine der Schnürzli-Air aussehen musste.

~*~*~*~*~*~*~

„Crawford?“

„Was ist denn? Ist dir schlecht?“

Der kleine Rotschopf schüttelte energisch den Kopf; seine Wangen glühten vom Fieber. „Was passiert mit uns, wenn wir sterben?“

Irritiert sah der Amerikaner den Jüngeren an. „Wie meinst du das?“

„Was kommt danach?“

Crawford runzelte die Stirn. Unglaublich, aber wahr: die Laborratte stellte philosophische Fragen. Schweigend beugte er sich vor und tupfte einmal mehr den Schweiß vom Gesicht des Jungen. „Du wirst nicht sterben. Noch nicht“, sagte er schließlich barsch. Irgendwie brachte er es nicht über sich, seiner Überzeugung Ausdruck zu verleihen, dass es kein „danach“ gab.

1398862 blinzelte verwirrt. „Aber irgendwann werde ich sterben. Und dann?“

„Dann?“ Brad überlegte einen Moment. „Ich weiß es nicht. Meine Großmutter hat immer gesagt, dass man, wenn man stirbt, zu einem Stern wird.“

Ein schwaches Lächeln huschte über das schmale Gesicht. „Das wäre schön“, murmelte das Kind verträumt. „Ich wäre gerne ein Stern.“

„Bis dahin hast du aber noch eine Menge Zeit.“ Mit einer Zärtlichkeit, von der er nicht gewußt hatte, dass er dazu überhaupt fähig war, strich er über das wirre rote Haar. „Versuch, ein bißchen zu schlafen.“

Wie so oft stahl sich die schmale Hand des Jungen in seine. „Okay...“

~*~*~*~*~*~*~
 

„...du mir erklären, warum unsere Überwachungskameras über Stunden hinweg nichts als Schnee aufgezeichnet haben?“

Das Gezeter des Chefwissenschaftlers war bereits auf dem Gang zu hören; seine Bürotür stand halb offen. Sofort hielt der Wachtposten, der Brad durch das Labyrinth der unterirdischen Gänge geführt hatte, ihn auf. „Warten Sie einen Moment. Der Doktor ist offenbar beschäftigt.“

„...nicht meine Schuld, dass die Kameras in meiner Gegenwart spinnen. Und Sie wollten doch, dass ich mich um ihn kümmere!“

„Werd' jetzt nicht unverschämt!“

„Pardon, aber das ist eine Tatsache.“

Jemand schlug mit der Faust auf einen Tisch. „Geh mir aus den Augen!“, fauchte der Wissenschaftler.

„Bien sûr, Großvater. Ganz, wie Sie wünschen.“ Prompt stürmte der blonde Söldner aus dem Büro, das verbliebene Auge blitzend vor Zorn. Als er Brad sah, stellte er zumindest das Zähneknirschen ein. „Ah. Bonjour, Monsieur Crawford.“

„Guten Tag, Captain Maginot.“

Der Franzose musterte ihn ernst. „Sie sind wegen Ihres Telepathen hier.“

Das war doch wohl offensichtlich! Brad räusperte sich ungeduldig. „Wissen Sie Näheres?“

Ein fast unmerkliches Zögern. „Er... schläft jetzt.“ Er schien noch etwas hinzufügen zu wollen, doch in diesem Moment trat Dr. Maginot auf den Gang.

„Was diese andere Sache angeht, Etienne... Oh. Crawford.“

„Dr, Maginot. Wie Sie sich denken können, bin ich hier, um...“

„Es geht Ihnen um 1398862.“

„...Schuldig abzuholen“, fuhr der Amerikaner ungerührt fort.

„Sie können es noch nicht mitnehmen – die Untersuchungen sind noch nicht beendet.“

ES...?! Zorn kochte in Brad hoch. „Das ist mir egal. Sie können nicht einfach ein wichtiges Mitglied meines Teams in Ihr Labor verschleppen, während wir uns mitten in einer äußerst heiklen Mision befinden!“

Maginot lächelte dünn. „Ganz offensichtlich haben Sie 1398862 aber nicht im Griff. Es ist hypernervös und hat Schwierigkeiten, seine Fähigkeiten unter Kontrolle zu halten.“ Mit einem weiteren unverbindlichen Lächeln fügte er hinzu: „So lange ich keine direkte Anweisung von einem der SZ-Oberen bekomme, kann ich nicht verantworten, es auf freien Fuß zu setzen. Etienne – begleite Monsieur Crawford hinaus.“

Zum Glück waren Nagi und Farfarello im Hotel geblieben, sonst hätte es jetzt wohl Wissenschaftler-Gehacktes gegeben. So beschränkte Brad sich auf ein unauffälliges Zähneknirschen. „Sie werden diese Anweisung sehr bald bekommen, verlassen Sie sich darauf. Und jetzt bringen Sie mich zu ihm.“

Der alte Mann schien widersprechen zu wollen, doch ein kurzer Blick von Brad belehrte ihn eines Besseren. „Von mir aus“, räumte er widerwillig ein. „Aber nur fünf Minuten.“

Das Orakel fixierte ihn kalt. „Ich werde gehen, wenn ich es für angebracht halte.“ Es geht doch nichts über subtile Drohungen.

Hilfesuchend sah der Doktor zu seinem Enkel hinüber, doch der schien plötzlich sehr am Zustand der Wände interessiert zu sein. „Soll ich Monsieur Crawford zu 1398862 begleiten?“, erkundigte er sich gelassen.

Hastig wischte Maginot sich den Schweiß von der Stirn. „Ja, ja. Von mir aus.“
 

Es war kalt hier unten... und es roch noch genau wie damals. Energisch verdrängte Brad den winzigen Hauch von Unbehagen, der sich seiner bemächtigen wollte. Momentan ging es nur um Schuldig – alles andere war nebensächlich.

„Wir sind da.“ Sie standen vor einer gepanzerten Tür mit mehreren Sicherheitsschlösser und unverwüstlich aussehenden Riegeln.

„Ist so etwas wirklich nötig...?“

Der große Blonde zuckte mit den Schultern. „Die da oben scheinen eine Heidenangst vor Ihrem Telepathen zu haben.“ Gelassen deaktivierte er die Schlösser und schob die Riegel zurück. „Voilá.“

Brad gab sich nicht die Blöße, noch einmal tief durchzuatmen, bevor er die Zelle betrat, obwohl er es bitter nötig gehabt hätte. So nickte er dem Captain nur knapp zu und trat ein.
 

Schuldig lag auf einer Art Bahre; er war erschreckend bleich, und er hatte unübersehbar Nasenbluten gehabt. Für einen Moment befürchtete Brad das Schlimmste. Mit drei schnellen Schritten war er an der Seite des Jüngeren und tastete nach dessen Puls. „Schuldig!“

Die flammend roten Wimpern flatterten, und eine kalte, blasse Hand machte ungeschickte Versuche, Brads Berührung zu verhindern.

Zu behaupten, dass Brad in diesem Moment ein gesamtes Gebirge vom Herzen fiel, wäre noch untertrieben gewesen. „Schuldig...“

„B...Brad...“ Mühsam hob der Telepath den Kopf und sah seinen Leader an. Die blauen Augen waren verschleiert; offenbar stand er unter starken Beruhigungsmitteln.

Ein leises Räuspern riß Crawford aus seinen sorgenerfüllten Gedanken. „Ich habe etwas dringendes zu erledigen. Sie werden mir doch keinen Ärger machen und einfach so mit Ihrem Telepathen abhauen, oder?“

Mißtrauisch beäugte Brad den grinsenden Söldner. „Wie meinen Sie das?“

„Nun ja... Sie würden doch wohl nicht Ihren Telepathen nehmen und ihn jetzt, wo sich in diesem Stockwerk gerade keine Wachen befinden, nach draußen bringen. Noch dazu, wo meine Männer am Ausgang Wache halten und mit einem einfachen Passwort dazu zu bewegen wären, Sie durchzulassen.“ Er legte den Kopf schief. „Nein... das würden Sie nicht tun.“ Damit wandte er sich zum Gehen; in der Tür drehte er sich jedoch noch einmal um. „Je m'en vais chercher un grand peut-être.“ Mit einem nachlässigen Winken verließ er den Raum. Kurz darauf verhallten seine Schritte in den endlosen, unterirdischen Gängen.

Zögernd sah der Amerikaner zu Schuldig. Nein, das war keine Falle, jedenfalls nicht, so weit seine Vorausschau es ihm verriet. Aus irgend einem Grund schien der Enkel des Wissenschaftlers ihm tatsächlich helfen zu wollen... Entschlossen wickelte er den zitternden Telepathen in das dünne weiße Laken, mit dem man ihn notdürftig zugedeckt hatte, und hob ihn auf seine Arme.

„Hm...?“

„Wir gehen jetzt nach Hause, Schuldig.“

Ein schwaches Lächeln verzog die blassen Lippen. „...okay..“

Als er den Deutschen durch die weiße Hölle der Laboratoriumsanlage nach draußen trug, konnte Crawford sich ein humorloses Grinsen nicht verkneifen. Manchmal wiederholte sich die Geschichte eben doch. Aber dieses Mal hatte er sich gefährliche Feinde gemacht. So, wie es aussah, hatte der Krieg gerade begonnen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2006-11-16T07:40:42+00:00 16.11.2006 08:40
Uh, bin gerade auf deine Geschichte gestoßen und ich bin hin und weg! Du schreibst genial!!! Man kann sich richtig in Schuldig reinversetzen, ich würde wahnsinnig werden. Auch triffst du die ganzen Charaktere richtig gut. Bin schon gespannt wie es weiter geht. Ich hoffe du hast die Geschichte nicht abgehackt und das bald ein neues Kapitel kommt!!! Laß dich von den wenigen Kommis nicht unterkriegen, die Story ist echt super!
Bye Rowan ;)
Von:  Silverdarshan
2006-08-25T14:19:28+00:00 25.08.2006 16:19
ALSO SOWAS! *schnaub*
lädst ein neues super süüüüüüüüüüßes Kappi hoch und ich merks nicht TT______TT
*snief*
ENDLICH ist Schu wieder bei Brad *vor freude heult* Q.Q
Das arme Kerlchen tut mir so leid!
Hoffentlich erwischt dieser dämlich haufen von Wissenschaftler die beiden nicht Q/////Q
BITTE BITTE mach schnell weiter ja??
ich kanns wieder kaum erwarten ^____________^v

*dickes knuddelz*
deine Hieads_Angel


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