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Das Blut der Lasair

von

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In einer zusätzlichen Bedrängnis

In einer zusätzlichen Bedrängnis
 


 

„Nichts?“ fragte er noch einmal und Catherine nickte. Seine Hand legte sich an ihr Kinn und hob ihren Kopf ein wenig an. Sie zitterte.

„Es ist kalt.“ erklärte sie, als er sie fragend anblickte. Er grinste.

„Wie gestern also.“ Sie nickte.

„Wie gestern.“ meinte sie. Tausend Fragen schwirrten ihr im Kopf herum, doch sie sprach keine einzige von ihnen aus – sie war nicht mehr fähig zu sprechen. Licht drang durch die verschmutzen Fensterscheiben in den Raum. Lestat ergriff Catherines Hand und bewegte sich lautlos tiefer in den Raum hinein.

Das Knarren der Tür durchbrach die Stille, dann folgten Schritte und Stimmen.

„Wir suchen weltweit nach Mademoiselle du Ravin. Falls Ihnen etwas auffällt, dann rufen sie bitte im Präsidium an, Mrs. Abbotsford.“ meinte der Polizeibeamte, der Catherine im Park angesprochen hatte. Catherine biss sich auf die Lippen.

„Haben Sie denn irgendwelche Anhaltspunkte? Wieso kommen Sie damit zu mir?“ fragte Elizabeth den Beamten und blickte ihn direkt an.

„Nein, nein. Ich war bei allen Bürgern mit viel Besitz. Ihr Land ist groß, das Gelände unüberschaubar. Es wäre gut möglich, dass sie hier Unterschlupf sucht.“

„Weshalb suchen Sie sie, wenn ich das fragen darf?“ Ein leises Lachen erklang, dann wieder die Stimme des Beamten:

„Darüber darf ich Ihnen keine Auskunft geben, aber die fragliche Person befindet sich auf der internationalen Fahndungsliste.“ Lestat beobachtete sie. Sie biss sich noch immer auf die Lippen und hob schließlich die Augen zu ihm hinauf. Er begegnete ihrem Blick. Sie schüttelte leicht den Kopf und die Schritte verhallten allmählich wieder.
 

Lestat und Catherine verharrten in ihrer Position, bis auch Lestat nichts mehr hörte, und schlichen dann nach draußen. Sie schritten schnell durch den Park, während Lestat vorauseilte.

„Er ist mir mit Sicherheit nicht gefolgt.“ meinte sie leise, worauf Lestat zu ihr zurückblickte.

„Und trotzdem ist er hier?“ Catherine nickte.

„Ich muss unbedingt mit Elizabeth sprechen. Sie muss wissen, dass ich ihm schon begegnet bin.“ Lestat nickte.

„Sie werden dich schützen.“ fügte er hinzu, worauf Catherine nickte.

„Irgendjemand muss mich vermisst gemeldet haben.“

„Nach allem, was ich gehört habe, wurde die Villa deiner Eltern zerstört. Das wird aufgefallen sein.“

„Sicher, aber dann…“ Lestat blieb stehen und wartete mit fragendem Blick auf sie. „Wenn sie nach mir suchen, dann suchen sie doch auch meinen Bruder, oder nicht?“ Sie gingen weiter nebeneinander her.

„Das ist anzunehmen. Und deine Eltern?“

„Meine Eltern sind tot.“ entgegnete Catherine und verspürte dabei einen kleinen Stich, da ihr die Worte relativ leicht über die Lippen gekommen waren. Lestat sagte nichts darauf. „Lucien liegt im Krankenhaus hier… Das hast du doch gesagt, oder?“ Er nickte. „Dann werden sie ihn finden, wenn sie das noch nicht getan haben. Und er wird ihnen sagen, dass ich hier bin…“

„Oder hat es schon gesagt.“ schloss Lestat und begegnete ihrem zustimmenden Blick.

„Ich muss soundso mit Elizabeth reden. Kommst du mit?“

„Wenn du das willst…“ Catherine nickte und wenig später klopften sie an die Tür zu Elizabeths Büro.
 

„Ja?“ kam von drinnen ihre Stimme. Lestat ließ Catherine vor sich eintreten und erblickte einen Augenblick später, dass Elizabeth keineswegs allein war, sondern Marius und Armand bei ihr waren.

„Wo ist David?“ fragte Catherine überrascht, doch wartete keine Antwort ab. Lestat schloss die Tür. Dass Armand hier war, gefiel ihm immer noch nicht. „Die Polizei sucht nach mir, aber das wissen Sie schon.“ Elizabeth nickte und lehnte sich an das Fenster an.

„Deshalb werden Sie das Anwesen nicht mehr verlassen. Gehen Sie am besten auch nicht mehr nach draußen und wenn sie unbedingt frische Luft wollen, dann bleiben sie im Park und gehen nicht in den angrenzenden Wald, denn dort gibt es keine Mauer oder keinen Zaun, um die Polizisten vor dem Herumschnüffeln abzuhalten.“ Catherine nickte etwas widerwillig, worauf Elizabeth sich zum Fenster drehte und hinausblickte. „Was schlagen Sie vor?“ fragte sie. Catherine zögerte kurz, da sie nicht wusste, was Elizabeth mit dieser Frage wollte, dann antwortete sie:

„Es interessiert mich nicht, ob mein Name echt ist oder nicht. Und wir können uns in unserer jetzigen Situation nicht daran aufhalten, das herausfinden zu wollen. Das spielt keine Rolle. Ich fühle mich nicht anders, nennen Sie und die Mädchen mich weiterhin Catherine. Es ist einerlei, was ich träume oder nicht... welche Visionen ich habe.“

„Was ist dann wichtig?“ Catherine blickte den fremden Vampir an. Marius wandte ebenfalls den Blick zu Armand.

„Lass’ sie ausreden.“ meinte er und Armand nickte.

„Ich will wissen, was die Bruderschaft wirklich plant. Die Zerstörung des Altars und die Unruhe während des Imbolc-Festes waren… wie wir schon einmal gesagt hatten… nur der Anfang. Und außerdem diente das ganze laut Bruderschaft dazu, zu verhindern, dass eine alte Macht wiederaufersteht. Stimmt das? Ist es möglich, durch ein Ritual Unheil heraufzubeschwören, auf das die Bruderschaft reagieren würde?“ Elizabeth schüttelte den Kopf und setzte sich an ihren Schreibtisch.

„Sie überschätzen uns, Catherine.“ Catherine stützte sich auf dem Schreibtisch ab und blickte sie auffordernd an. „Wir sind Hexen, aber solche Kräfte benutzen wir nicht.“

„Könnten sie es?“

„Nur die wenigsten von uns könnten es.“

„Wer?“

„Elatha und Nyah und auch ich, zum Beispiel.“
 

„Nyah?“ Elizabeth nickte. Saerlaith, Elatha, Nyah. Drei Generationen derselben Familie. „Es liegt also in einer Familie. In ihrer. Und die anderen?“

„Die anderen Mädchen, die hier sind, besitzen weniger ausgeprägte Fähigkeiten, ein Bruchteil davon, wenn sie es so wollen.“

„Aber trotzdem ist klar, dass sie sie besitzen?“

„Worauf wollen Sie hinaus?“ Catherine schwieg eine Weile und zog die Augenbrauen zusammen.

„Schicken Sie diejenigen von hier weg, deren Kräfte nicht so ausgeprägt sind.“ entgegnete Lestat.

„Wie bitte? Thirlestane Castle ist ein Zufluchtsort! Wollten Sie das auch sagen, Catherine?!“ empörte sich Elizabeth. Catherine nickte.

„Sind Sie in der Lage, ihre Schützlinge auch zu schützen, sollte die Bruderschaft noch einmal…“

„Ich lasse in diesem Punkt nicht mit mir reden! Sie bleiben. Und zwar alle!“ Catherine blickte zu Lestat, dem ein spöttisches Lächeln auf den Lippen und mit Sicherheit auch eine dementsprechende Bemerkung auf der Zunge lag. Sie schüttelte leicht den Kopf, schluckte hinunter, was sie von Elizabeths Einstellung hielt, und fuhr dann fort:

„Wir brauchen die Ziele der Bruderschaft, die Übersetzung der Runen, die Lestat und ich in Crossbost aufgezeichnet haben…“ Sie brach ab, als Marius ein Blatt vom Schreibtisch nahm.

„An der Übersetzung arbeiten wir noch. Die Umschrift allerdings haben wir.“ meinte er und wollte Catherine das Blatt weiterreichen, doch Elizabeth nahm es ihm aus der Hand.

„Catherine kann damit nichts anfangen.“ meinte sie und zu Catherine selbst sagte sie: „Warten Sie, bis die Übersetzung fertig ist.“

„Wann wird das sein?“ fragte Lestat und nahm das Blatt an sich. Er warf einen Blick darauf und bemerkte Marius’ Handschrift.

„Wir arbeiten so schnell es geht.“ entgegnete Elizabeth nur und verlangte das Papier zurück.
 

Catherine verließ nach einem kurzen Nicken das Büro und lehnte sich draußen mit geschlossenen Augen an die Wand.

„Was ist?“ Lea stand vor ihr und blickte sie fragend an.

„Nichts, alles in Ordnung.“ Catherine war sich sicher, dass Lea ihr kein Wort glaubte, denn überzeugend hatte sie das gerade nicht gesagt.

„Kommst du mit essen?“

„Nein, ich habe keinen Hunger.“

„Du isst ziemlich selten mit uns in der letzten Zeit.“ Catherine nickte und seufzte.

„Es ist einfach viel passiert und…“

„Und?“ Catherine räusperte sich.

„Und ich dachte nicht, dass die Todesfälle so am Alltag von Thirlestane Castle vorbeigehen.“ Lea zog die Augenbrauen hoch, dann meinte sie:

„Das tun sie nicht. Wir bedauern sehr, was passiert ist.“

„Und trotzdem geht es weiter wie bisher.“ bemerkte Catherine.

„Es ist ein bewährtes System… Du kommst also wirklich nicht mit?“ Catherine schüttelte den Kopf und Lea ging in den Speisesaal.

Thirlestane Castle, der Zufluchtsort, der Ort, an dem Trauer nicht existierte, der Ort, an dem keine Katastrophe etwas am Alltag und am bewährten System ändern konnte. Catherine lachte leise. Das erinnerte sie sehr an die Bruderschaft – sehr. Sie schüttelte den Gedanken ab. Thirlestane Castle war anders als die Katakomben der Bruderschaft! Ganz anders! Nachdenklich griff sie sich an die Stirn und schritt die Treppe hinauf, die zu ihrem Zimmer führte. Ihre Schritte verursachten ein dumpfes Geräusch auf dem Teppich, der auf dem Holz der Treppe lag und den Dielen der Gänge ebenfalls folgte. Die Gemälde ihrer Vorfahren hingen stumm an der Wand und folgten ihr wieder – wie jene, die in ihrem Zuhause in Paris hingen – mit ihren Blicken. Zuhause! Sie lachte verbittert. Sie hatte kein Zuhause mehr. Diese Zeiten waren vorbei.



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