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Das Blut der Lasair

von

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Den Stein ins Rollen gebracht...

Den Stein ins Rollen gebracht…
 


 

Das Feuerwerk hatte den Himmel erhellt und die klare Luft mit rötlichem Rauch durchzogen. Rötlich. Lebendig. Ihr Herz… war auf einmal viel zu lebendig gewesen. Es hatte mehrere Male unregelmäßig und stark gegen ihren Brustkorb geschlagen, als wolle es ausbrechen. Ihr Atem war schwer gekommen und hatte sie kaum mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Sie war getaumelt. Sie war gestürzt. Sie hatte sich verletzt.

„Ich kann dir nicht folgen.“ gab er zu.

„Silvester 2007. Da hat es begonnen. Um Mitternacht bin ich zusammengebrochen und habe mich verletzt. In meiner Ohnmacht hatte ich das erste Mal diesen Traum… Vision – wie auch immer!“

„Wie kommst du jetzt darauf?“

„Emmanuel war dort – mit Salieri – und hat meine Verletzungen versorgt.“ erklärte sie und fuhr gedankenverloren über die Innenseite ihres Handgelenks.

Lestat erinnerte sich an ihre Verletzungen und an ihren Verband, unter den er seinen Fingern Zugang verschafft hatte.

„Salieri wusste, dass etwas geschehen würde. Erstens waren meine Eltern verschwunden – tot, zweitens hat er schon damals gewusst, dass mit mir etwas passieren würde.“

„An Silvester 2007?“

„Ja, Silvester und… dreimal sieben.“

„Einundzwanzig.“ antwortete Lestat verwirrt, während Catherine nur kurz nickte und dann fortfuhr:

„An Silvester 2007 war mein zwanzigster Geburtstag. Mein zwanzigster Geburtstag ist der Beginn meines einundzwanzigsten Lebensjahrs. Es war von Anfang an ich, um die es ging.“

„Das habe ich nie bezweifelt.“

„Ich habe gehofft, dass es nicht so ist.“

„Die Prophezeiung ist also auf dich anzuwenden.“ überlegte Lestat scheinbar laut. „Gibt es für dich Sinn?“

„Zeile für Zeile… Lass’ mal sehen!“ meinte Catherine und studierte die einzelnen Zeilen der Worte aus ihrem Traum. „Der Tag wird kommen – und mögen Jahre vergeh’n/ da jemand erscheint, der vom Schicksal auserseh’n.“

„Nehmen wir mal an, das bist wirklich du.“ erinnerte Lestat und sah Catherine über die Schulter, als sie weiter vorlas.

„Doch ihm sollen jeweils dreimal sieben gewesen sein… dreimal sieben sind einundzwanzig. Ich wurde zwanzig.“

„Aber das ‚jeweils’ passt nicht.“

„Jeweils… jeweils…“ Catherine überlegte. „Es müssen Zeitabschnitte sein. Zeitabschnitte in meinem Leben, oder nicht?“

Lestat nickte stumm und ließ sie weiter überlegen. Da konnte er ihr nicht helfen.

„Sieben… Ich stand im siebten Lebensjahr, als ich zur Bruderschaft gerufen wurde.“

„Das ist ein Anfang. Einmal sieben. Und das zweite Mal? Gibt es einen neuen Abschnitt… kannst du ihn mit der Bruderschaft in Verbindung bringen?“

Catherine schloss die Augen und überlegte fieberhaft. War das wirklich eine Lösung? War es richtig, so an das Rästel der Prophezeiung heranzugehen? Sie wusste es nicht, aber sie hatten im Moment keinen besseren Ansatz.

„Ich wurde sieben Jahre lang ausgebildet, ehe ich in den wirklichen Dienst eintrat. Ich erinnere mich an den Tag. Salieri war mein Mentor und sagte, ich sei mit meinen dreizehn Jahren seit langer Zeit die jüngste Ritterin im Orden.“

„Dreizehn… Mein Gott!“ murmelte Lestat und blickte Catherine entsetzt an. „Wie konnten deine Eltern das zulassen?“

„Sie dachten, es sei das Richtige. Sie kannten es außerdem selbst nicht anders.“ beschwichtigte Catherine ihn und lächelte ihr an, bevor sie fortfuhr: „Gut, und dann… Silvester 2007 und mein zwanzigster Geburtstag als dritter Abschnitt.“

„Ja, jeweils sieben Jahre. Unwissenheit. Ausbildung. Dienst. Und dann der Bruch mit der Bruderschaft. Meiner Meinung nach passt das sehr gut.“ stimmte Lestat zu und las die nächste Zeile.

„…zu erfüllen des enttäuschten Herzens wütende Rache.“ las sie vor und schüttelte den Kopf.

„Wahrscheinlich die Rache der letzten Duchess of Irvine. Aber weshalb Rache und wieso sie ein enttäuschtes Herz hatte, weiß ich nicht.“

„Sie wurde verurteilt und hingerichtet. Vielleicht war sie auch nur enttäuscht von der Welt… Ich weiß es nicht.“

„Die nächste Zeile bringt uns auch nicht weiter.“ meinte er und las sie vor: „…zu beenden der gebrochenen Seele folternde Pein.“

„Was auch immer es ist, das ich tun soll… Meinst du, es soll sie aus irgendetwas erlösen? Kann es so etwas sein?“

„Möglich. Eine andere Erklärung fällt mir auch nicht ein. Am besten, wir lassen es offen.“ schlug er vor und sah, dass Catherine grinste.

„Wie so vieles.“ murmelte sie und las die nächste Zeile leise vor sich hin. „…indem schweres Blut sich ergieße und Feuer entfache.“

„Schweres Blut?“ fragte Lestat nach und sah genauer hin.

„Wie glaubst du, ist das gemeint? Du hast mir gesagt, mein Blut sei schwer, aber dass das schon die Lösung ist.“

„Vielleicht ‚schwer’ im Sinne von ‚alt’. Altes Blut. Ehrwürdiges Blut. So etwas in die Richtung.“

„Altes Blut… Ja, vielleicht. Denkt man an die Verwandtschaft zur Königsfamilie Valois kann man das auch nachvollziehen, oder?“ fragte Catherine und blickte ihn abwägend an.

„Nehmen wir an, es ist dein Blut gemeint… Was ist dann mit dem Blut, das Feuer entfacht. Kannst du das auch?“ ging Lestat weiter und seine Augen weiteten sich plötzlich. „Tatsächlich! Du hast mich ja auch verbrannt.“

„Das tut mir immer noch leid.“ versicherte Catherine, da seine Worte wie eine Anschuldigung klangen. „Vielleicht müssen wir aber nicht einmal so weit gehen.“

„Dir tut es also nicht leid.“

„Das meinte ich nicht. Ich war wieder zurück an jenem Abend vor Neujahr. Ich habe dir gesagt, dass ich verletzt war. Mein Blut ist in das Feuer im Kamin geflossen. Vielleicht ist mit ‚entfachen’ auch ‚vermischen’ gemeint.“

„Das scheint mir nicht sehr glaubhaft.“

„Dennoch ist es möglich.“

„Sicher, aber bei der Auslegung dieser Zeilen ist fast alles möglich.“ ginste er, doch Catherine blieb ernst und kniff die Augen zusammen.

„…indem das Rad des Schicksals erneut dreht das Sein. Das ist mit mir an Imbolc geschehen. Dort sollte ich meinen Namen erfahren, aber es ist schiefgegangen. Mein Sein, mein Wesen wurde allerdings tatsächlich gedreht! Ich habe Lucien angegriffen.“

„Und du warst nicht du selbst. Deine Augen waren eisblau und nicht mehr grün.“ erinnerte sich Lestat und nickte.

„Das wolltest du mir also im Keller sagen, als Elatha uns gestört hat.“

„Ja… Wieso erinnerst du dich an diese Kleinigkeiten? Dein Gedächtnis ist wirklich unglaublich.“

„Hm, diese Kleinigkeiten haben mit dir zu tun. Vielleicht liegt es daran.“ entgegnete Catherine lächelnd und erblickte draußen die Scheinwerfer eines Wagens.

„Das war Balsam für meine Seele, das weißt du, ja?“

„Sicher, und es war mir ein Vergnügen.“ versicherte sie, küsste seine Stirn und wollte das Arbeitszimmer verlassen, doch er verwickelte sie in einen leidenschaftlichen Kuss.

„Ich sag’ ihnen gleich Bescheid, dass der Arzt da ist.“ versprach er zwischen mehreren Küssen und ließ schließlich zu, dass sich Catherine langsam von ihm löste.

„Kannst du Marius und die anderen dann auch gleich auf den neusten Stand bringen? Ich komme wieder herunter, sobald Emmanuel geht.“

Lestat nickte und Catherine verließ das Arbeitszimmer, um den befeundeten Arzt hereinzulassen und zu begrüßen.
 

Dann führte sie ihn in ihr Zimmer, wo Lea wach im Bett lag und nicht gerade begeistert schaute, als sie den Mann als Arzt identifizierte. Allerdings ließ sie sich seine Untersuchungen gefallen, wobei Emmanuel mit Catherine über die Auffälligkeiten und später seine Befunde sprach:

„Die Blutergüsse an Oberarmen und über den Schulterblättern werden von alleine weggehen und machen mir keine Sorgen. Allerdings sind die Rippen auf jeden Fall geprellt. Ich nehme an, du willst sie nicht in ein Krankenhaus bringen.“

„Nein, das können wir uns in unserer Situation nicht leisten. Zumal ihre Verwandten… Ihr Aufenthalt hier ist nicht ganz legal. Wenn ihre Verwandten sie suchen sollten, müsste sie zurück.“

„Und das könntest du nicht vertreten?“

„Nein, ihre Mutter hat sie dieser Gefahr ausgesetzt.“ erklärte Catherine und der Arzt nickte.

„In Ordnung. Ich lasse dir zwei Salben und noch zur Sicherheit ein Schmerzmittel da. Du weißt ja, wie du mit beidem umzugehen hast.“

„Danke.“ entgegnete Catherine und nahm die Medikamente entgegen. „Soweit ich sie aber verstanden habe, hat sie nicht allzu große Schmerzen.“

„Wie gesagt: du weißt, wann du sie anwenden musst. Wenn es so bleibt, braucht sie keine.“ stimmte Emmanuel zu und nahm seine schwarze Tasche vom Boden auf, nachdem er sich von Lea verabschiedet hatte.

„Danke, dass du gekommen bist.“

„Das ist selbstverständlich. Sie sollte mindestens zwei Tage im Bett bleiben, aber ich würde morgen Mittag noch einmal nach ihr sehen, wenn dir das recht ist.“

„Natürlich.“ versicherte Catherine und wollte dann den Arzt hinaus geleiten.

„Lass’ nur, Catherine, ich finde den Weg schon!“ wehrte Emmanuel allerdings ab und verabschiedete sich gleich in Catherines Zimmer.

„Hat er noch etwas Wichtiges gesagt?“ fragte Lea und nahm einen Schluck von ihrem Tee.

„Nein, er hat nur noch einmal darauf hingewiesen, dass du unbedingt liegen bleiben sollst.“

„Das ist so unfair.“ murrte Lea und zog die Augenbrauen zusammen.

„Es ist nötig, Lea.“

„Ich weiß, aber mir ist langweilig.“

„Versuch’ zu schlafen.“ schlug Catherine vor.

„Was denkst du, was ich beinahe den ganzen Tag gemacht habe?“

Ein zaghaftes Klopfen ersparte Catherine eine Antwort, bei der sie hätte zugeben müssen, dass es für Lea nicht gerade angenehm war, den ganzen Tag herumzuliegen. Schnell erhob sie sich und öffnete die Tür.

„Ich wollte nicht stören.“ meinte Louis schnell und wandte sich schon wieder halb um.

„Ich wollte gerade gehen.“ erwiderte Catherine und sah zu Lea hinüber. „Ich denke, sie kann andere Gesellschaft gut gebrauchen.“ sagte sie leise und ging an Louis vorbei aus ihrem Zimmer hinaus.



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